Eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi
Russland und Syrien führten in den letzten Wochen eine ungewöhnliche gemeinsame Luftraumüberwachung entlang der Golanhöhen und des Euphrats durch. Die gemeinsamen russisch-syrischen Luftpatrouillen könnten nun nach russischen Angaben zu einer regelmäßigen Mission werden. Die Luftraumüberwachung an der Grenze zu Israel über den Golanhöhen alarmierte insbesondere Tel Aviv. Israelische Medien fragten in letzter Zeit diesbezüglich, ob die gemeinsamen Luftpatrouillen nur symbolische Aktionen waren oder ob sie eine Botschaft an Tel Aviv senden sollten, um womöglich die israelischen Luftangriffe auf Syrien zu stören.
Die zweite Interpretation dieser gemeinsamen Aktion lautet, dass Moskau inmitten der Spannungen um die Ukraine ein Signal an die NATO senden will, dass seine militärischen Fähigkeiten den Nahen Osten einschlössen, falls eine mögliche Osterweiterung des von den USA geführten Militärbündnisses nicht gestoppt würde.
Die gemeinsamen russisch-syrischen Übungen könnten Teil einer mehrstufigen russischen Operation zur Durchsetzung der Souveränität des syrischen Staates sein. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums waren an der Mission die russischen Flugzeuge Su-34 und Su-35 und die Frühwarn- und Aufklärungsflugzeuge A-50 sowie die syrischen Kampfflugzeuge MiG-23 und MiG-29 beteiligt. Die gemeinsame Luftraumüberwachung Russlands und Syriens erfolgte insbesondere zu einem Zeitpunkt, nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin seinen iranischen Amtskollegen Ebrahim Raisi in Moskau getroffen hatte. Israel intensivierte in letzter Zeit seine Aggressionen gegen Syrien und lancierte unlängst zweimal Luftangriffe auf den Hafen von Latakia. Israel behauptete bislang, dass Tel Aviv und Moskau einen "Konfliktlösungsmechanismus" entwickelt hätten, wonach Russland israelische Angriffe auf Syrien zur Verhinderung des Ausbaus des iranischen Einflusses toleriere.
Das russische Militär organisierte die gemeinsamen Luftpatrouillenübungen aber wahrscheinlich nicht nur, um ein Signal an Israel zu senden, das permanent die syrische Souveränität verletzt. Russland versucht zugleich, klare Signale an die NATO zu senden. Moskau startete kürzlich inmitten der Spannungen mit der Ukraine und deren westlichen Partnern eine groß angelegte Marineübung in Atlantik, Arktis, Pazifik und Mittelmeer. An den Übungen sind nach russischen Angaben insgesamt mehr als 140 Schiffe, mehr als 60 Flugzeuge und etwa 1.000 weitere militärische Einheiten und Ausrüstungselemente beteiligt.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts will der Kreml eine beispiellose Präsenz im Mittelmeer demonstrieren. So wird das russische Geschwader, das im syrischen Hafen Tartus stationiert ist und aus zehn Schiffen besteht, durch zwei weitere große Flotten von Kriegsschiffen ergänzt.
Sechs große Landungsschiffe fahren schon über den Ärmelkanal und die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer. Und der Lenkwaffenkreuzer Warjag der Pazifikflotte sowie der russische U-Boot-Zerstörer Admiral Tributs sowie der große Tanker Boris Butoma, die kürzlich am dritten gemeinsamen Militärmanöver mit China und Iran im Golf von Oman teilgenommen hatten, laufen nun durch das Rote Meer in Syrien ein.
Russland sucht traditionell Zugang zum Mittelmeer, und seit Putin in Syrien die Oberhand über den Westen gewonnen hatte, errang Russland über das Schwarze Meer erneut einen strategischen Zugang zum Mittelmeer. Russlands Zugang zum Mittelmeer nach dem Syrien-Konflikt gibt dem Kreml insofern die Möglichkeit, bei einer weiteren NATO-Expansion nach Osten eine neue Front gegen den Westen zu eröffnen. Es ist kein Zufall, dass das NATO-Mitglied Türkei sich im Ukraine-Konflikt auf die Seite Kiews stellte und die bilaterale Rüstungskooperation mit der Ukraine ausbaut, da Ankara fürchtet, dass das Schwarze Meer ein "russisches Meer" werden könnte. Die geopolitische Lage im Nahen Osten änderte sich in letzter Zeit zugunsten der vom Westen unabhängigen Staaten wie Syrien. Eine mögliche erneute NATO-Expansion nach Osten könnte insofern eine neue Kampflinie vom Mittelmeer her gegen den Weltordnungsanspruch des Westens zur Folge haben.
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