Mazlum Kobanê, der bekannteste Kommandeur der syrisch-kurdischen Miliz "Demokratische Kräfte Syriens", hat in einem Interview mit dem Portal Al-Monitor erklärt, Russland sei gegen eine weitere Besetzung syrischer Gebiete durch die Türkei. Seine russischen Kontakte hätten dies auch Ankara mitgeteilt. Er sagte, dass Russland sich aufgrund der offiziellen Einladung der syrischen Regierung in dem Land befinde und daher, im Verhältnis zur iranischen Präsenz, der bestimmende Faktor sei. Kobanê zufolge würden sich Moskaus syrienpolitische Ansichten zwangsläufig auf jene der Kurden zubewegen.
Auch habe Moskau gegenüber den Kurden erklärt, dass es keine Abkommen mit der Türkei bezüglich einer weiteren türkischen Militäroffensive in Syrien gebe. Zugleich habe Russland die Kurden jedoch gewarnt, dass ein Angriff der von der Türkei unterstützten sogenannten Syrischen Nationalarmee erfolgen könnte. Dieser sei aber ausgeblieben.
Kobanê erklärte weiter, dass die syrischen Kurden gute Beziehungen mit Russland haben. In den letzten zwei Jahren hätten beide Seiten in Syrien im Rahmen des Sotschi-Abkommens zusammengearbeitet. Für die Lösung des Syrien-Konfliktes sei die Einbeziehung Russlands unbedingt notwendig. Zugleich äußerte er aber die Kritik, dass Moskau aktiver sein und mehr Druck auf die syrische Regierung für eine Einigung mit den syrischen Kurden ausüben könne.
Bezüglich der Gefahr einer möglichen neuen türkischen Militärintervention in Syrien sagte Kobanê, dass die Situation eine andere sei als vor den beiden letzten türkischen Militäroperationen im Gebiet. Das Kräfteverhältnis habe sich verschoben. Es habe vor den vorherigen Angriffen keine bindenden internationalen Abkommen mit der Türkei gegeben. Dagegen gebe es jetzt sowohl mit Russland (Sotschi-Abkommen) als auch mit den USA Vereinbarungen über Syrien, die die türkische Handlungsfreiheit einschränkten.
Auch Washington sei gegen eine weitere türkische Besatzungszone in Syrien und habe den Kurden dahingehend Versprechen gemacht. US-Vertreter hätten gegenüber den Kurden erklärt, dass sie in bilateralen Gesprächen mit Ankara explizit ihre Ablehnung von Angriffen gegen die syrischen Kurden klargestellt hätten.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan versuche laut Kobanê, für seine Syrien-Pläne internationale Unterstützung zu sichern. Damit werde er aber aller Wahrscheinlichkeit nach scheitern.
Kobanê machte zudem deutlich, dass die syrischen Kurden bereit seien für ernsthafte Verhandlungen mit Damaskus, um zu einer Lösung zu kommen. Er warf der Regierung in Damaskus vor, zögerlich und bislang nicht gesprächsbereit zu sein. Es habe bereits mehrere Male Kontaktversuche gegeben, diese hätten aber nicht das Stadium ernster Verhandlungen erreicht. Es gebe keinen grundsätzlichen Mentalitätswechsel in der syrischen Regierung.
Dabei würde Damaskus gar nicht darauf bestehen, dass die syrischen Kurden ihre Kontakte zu den USA aufgeben. Vorbedingung der syrischen Regierung seien die unteilbare Einheit des Landes, die Beibehaltung der syrischen Fahne, die Wahrung der derzeitigen Grenzen, die Anerkennung des Präsidenten sowie der Schutzes der staatlichen Souveränität. Die Kurden seien bereit, Garantien bezüglich dieser Forderungen abzugeben. Ein Rücktritt des syrischen Präsidenten sei keine Voraussetzung für eine innersyrische Lösung. Die Kurden seien bereit, mit ihm eine Verhandlungslösung zu erzielen. Auch würden sie nicht anstreben, einen Staat innerhalb eines Staates zu schaffen oder eine eigene Armee zu unterhalten. Im Gegenzug müsse Damaskus jedoch bereit sein, über eine kurdische Autonomie zu verhandeln.
Mehr zum Thema – Erdoğan droht mit neuer Militärkampagne in Syrien: Wie wird Russland reagieren?