Der Libanon befindet sich wirtschaftlich in einer sehr schlimmen Lage. Angesichts der Treibstoffknappheit kommt es immer öfter zu chaotischen Szenen im Land. Ein Streit um knappe Treibstoffvorräte befeuerte am Wochenende konfessionelle Spannungen zwischen benachbarten schiitisch-muslimischen und christlichen Dörfern im Südlibanon. Der Streit führte dazu, dass die Armee eingriff, teilte eine Quelle der Sicherheitsorgane mit.
Zusammenstöße, die sich hauptsächlich seit Monaten um den Treibstoffmangel ranken, sind im Libanon an der Tagesordnung und führen zu wachsender Besorgnis über einen Absinken des Landes in völliges Chaos.
Etwa sechs Menschen wurden bei einem Streit zwischen dem christlichen Dorf Maghduscha und dem schiitischen Ankoun verletzt, berichtet Reuters. Der Vorfall spitzte sich zu, als ein Einwohner von Maghduscha bei der Polizei Anzeige erstattete, nachdem er am Freitag bei einem Streit um Kraftstoff verletzt worden war. Die Polizei besuchte Ankoun, um den Vorfall zu untersuchen. Dorfbewohner blockierten dagegen Straßen und verbrannten Bäume. Eine Einheit der Armee wurden deshalb eingesetzt, um der Lage Herr zu werden, berichtet Reuters. Am Montag war die Lage wieder ruhig. Die schiitische Amal-Bewegung, angeführt vom Parlamentspräsidenten Nabih Berri, verurteilte die Zusammenstöße zwischen Christen und Schiiten.
Es kam angesichts der Ölknappheit in den letzten Tagen mehrfach zu ähnlichen chaotischen Szenen im Libanon. Es gab Berichte, dass Tanklaster in den Städten mittels Straßenblockaden abgefangen wurden. Hunderte Männer aus Mina, dem Hafenviertel der nordlibanesischen Stadt Tripoli, hatten sich in den letzten Tagen einem Tanklaster in den Weg gestellt und ihn an der Weiterfahrt gehindert. Nach der Blockade sollen sich die Männer mit dem Fahrer geeinigt haben, ihm die Ladung zum offiziellen subventionierten Preis abzukaufen. An Tankstellen kommt es auch immer wieder zu Ausschreitungen und Schießereien.
Der ranghöchste sunnitische muslimische Geistliche des Landes, Großmufti Scheich Abdul Latif Derian, sagte am Freitag, der Libanon steuere auf den vollständigen Zusammenbruch zu, wenn keine Maßnahmen zur Behebung der Krise ergriffen würden.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah kündigte kürzlich an, eigenmächtig iranisches Erdöl trotz der westlichen Sanktionen zu importieren, um den Libanesen die tägliche "Erniedrigung" in den Warteschlangen vor den Tankstellen zu ersparen. Nasrallah warnte diesbezüglich die USA und Israel davor, das iranische Schiff zu beschlagnahmen. Der Plan, iranischen Treibstoff in den Libanon zu liefern, gilt als Wendepunkt in dem Bemühen, die gegen beide Länder gerichteten US-Sanktionen zu durchbrechen.
Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim, die der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) nahesteht, twitterte schon am Freitag, dass der erste Tanker mit Treibstoff für den Libanon iranische Gewässer verlassen habe. Daten von TankerTrackers.com, einer globalen Tanker-Tracking-Webseite, bestätigte ebenfalls, dass das erste iranische Schiff bereits in das Mittelmeer eingelaufen sei. Unter Berufung auf informierte Quellen bestätigte auch der libanesische Fernsehsender al-Manar diesen Bericht. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums warnte am Montag die USA nochmals explizit, iranische Treibstofflieferungen an den Libanon zu blockieren, berichtet Press TV:
"Die USA sind nicht in der Lage, den legitimen Handel zu blockieren. Wir nehmen die Ausübung unserer Souveränität sehr ernst und jeder sollte wissen, dass der legitime Handel in diesem Bereich eines der Grundprinzipien des Völkerrechts ist."
In einer Rede am Freitag machte der Hisbollah-Führer erneut die USA für die wirtschaftlichen Probleme des Libanon verantwortlich und sagte, die von Washington gegen Syrien verhängten Cäsar-Sanktionen hätten auch dem Libanon geschadet.
Infolge des Treibstoffmangels kommt es im Libanon seit Monaten zu Stromausfällen, in vielen Fällen ist die Stromversorgung für 22 Stunden am Tag unterbrochen. Krankenhäuser klagten zuletzt über massive Engpässe bei Treibstoff für ihre Generatoren.
Die Entscheidung der Hisbollah, mehrere Lieferungen von iranischem Treibstoff in den Libanon zu arrangieren, stellt die USA vor eine Reihe von Herausforderungen, da sie sich darauf vorbereiten, eine Antwort auf die lähmende Energiekrise des Landes zu finden, berichtet Middle East Eye. Nach Nasrallahs Ankündigung des Imports von iranischem Treibstoff teilte die US-Botschaft in Beirut mit, dass die Biden-Regierung dem Libanon beim Erwerb von Gas aus Ägypten helfen werde. Der Plan sieht vor, ägyptisches Erdgas über die arabische Gaspipeline, die durch Jordanien und Syrien führt, in den Libanon zu befördern.
Beide Routen erfordern allerdings die Sanierung der Infrastruktur, um den Anforderungen an eine erhöhte Kapazität gerecht zu werden, sowie ein gewisses Maß an Zusammenarbeit zwischen den regionalen Verbündeten der USA und der Regierung von Präsident Baschar al-Assad in Syrien. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte Middle East Eye, dass sie sich nicht zu den Einzelheiten der laufenden diplomatischen Gespräche äußern würden.
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