Der Oberste Führer Irans Ajatollah Ali Chamenei sagte am Freitag, dass man den Iranern, die gegen die Wasserknappheit protestieren, nicht die Schuld geben könne, und forderte die Behörden auf, sich mit dem Wasserproblem zu befassen.
Straßenproteste wegen Wasserknappheit breiteten sich über Nacht von der ölreichen südwestlichen Provinz Chuzestan auf ein nahegelegenes Gebiet aus, in dem ein Jugendlicher mit einem Luftdruckgewehr erschossen und sieben Menschen verletzt wurden, sagte ein Polizeibeamter und gab "Konterrevolutionären" die Schuld.
"Die Menschen haben ihren Unmut gezeigt, aber wir können den Menschen nicht wirklich die Schuld geben, denn das Thema Wasser ist keine Kleinigkeit, vor allem nicht in dem heißen Klima von Chuzestan", wurde Chamenei vom Staatsfernsehen mit Bezug auf die Proteste zitiert.
Seit dem 15. Juli gibt es in mehreren Städten der Provinz Chuzestan im Südwesten Proteste aufgrund verheerenden Wassermangels. Offiziellen Angaben zufolge sind mindestens zwei Demonstranten und ein Polizist ums Leben gekommen und Dutzende verletzt worden. Organisationen wie Human Rights Watch verlangen von iranischen Behörden die Aufklärung der angeblichen Tode von mindestens drei Demonstranten und verweisen auf unbestätigte Berichte, wonach die Zahl der Toten und Verletzten höher als offiziell bekannt sein könnte. Zu einem angeblich bei Protesten getöteten jungen Mann erklärte Omid Sabripour, Leiter des Gouvernements in der Stadt Shadegan, der iranischen Nachrichtenagentur IRNA: "Während der Kundgebung schossen Randalierer in die Luft, um die Menschen zu provozieren, aber leider traf eine der Kugeln einen Anwesenden und tötete ihn."
Am Mittwoch teilten iranische Behörden mit, dass ein Polizist von "Aufrührern" in Chuzestan erschossen worden war. Behörden bestätigten zudem, dass zwei Zivilisten am Freitag erschossen wurden, demnach waren die jungen Männer keine Demonstranten und wurden von "Opportunisten und Randalierern" ermordet.
Laut der iranischen Nachrichtenagentur Fars waren vorrangig friedliche Protestkundgebungen abgehalten worden, bis separatistische und antirevolutionäre Gruppen versucht haben, die Kundgebungen durch Operationen unter falscher Flagge und durch eine Desinformationskampagne zu Unruhen zu provozieren.
Am Donnerstag warnte der iranische Präsident Hassan Rohani vor einer politischen Eskalation bei den Protesten im Südwesten des Landes:
"Die Proteste der Menschen in der Provinz Chuzestan sind zwar legitim, aber sie sollten nicht zulassen, dass die Feinde Irans sie politisch ausnutzen."
Insbesondere sollten sich die Menschen von gewaltbereiten "Schurken", die ganz andere Ziele verfolgten als die friedlichen Demonstranten, distanzieren, so Rohani in der Stellungnahme, die das Präsidialamt veröffentlichte.
In einem Telefongespräch mit dem Generalgouverneur der Provinz Chuzestan, Qassem Soleimani Daschtaki, betonte Rohani am Donnerstag, dass Wassermangel und Hitze über 50 Grad sehr schwer zu ertragen seien und die Menschen das Recht haben, gegen die aktuelle Situation zu protestieren.
Der Präsident, dessen zweite Amtszeit in diesem Jahr endet, versprach, dass die Regierung auf die "legitimen Proteste hört" und "alle Anstrengungen unternimmt", um das Problem der Wasserknappheit schnell zu lösen, das auf die noch nie dagewesene Dürre und die Anhäufung von bestehenden Problemen aus den Vorjahren zurückzuführen sei. Rohani betonte, dass die Provinzbehörden gegenüber der Bevölkerung rechenschaftspflichtig sind und wies den Generalgouverneur von Chuzestan an, die Probleme mit der Koordination und Kooperation aller Behörden schnell zu lösen. Der Präsident verwies zudem auf den Besuch des Ersten Vizepräsidenten am Freitag in der Provinz.
Das ölreiche Chuzestan, von dem Teile vorübergehend von Saddam Hussein besetzt wurden, nachdem er mit Unterstützung des Westens in Iran einmarschiert war, hat seit Jahrzehnten mit Wasserproblemen zu kämpfen. Auch wegen der häufigen Dürrewellen ist der Wassermangel nicht neu, doch traf es Chuzestan mit Temperaturen bis zu 50 Grad diesmal besonders schlimm. Die heftigste Dürre im Land seit 50 Jahren hat Haushalte und Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen und zu Stromausfällen geführt, einige Menschen haben durch den Wassermangel ihr Vieh verloren.
Elahé Sharifpour-Hicks, Direktorin von "Partners for Rights" und laut Fars Mitglied der von Washington unterstützten Opposition gegen die Islamische Republik, hat per Twitter geschrieben, dass bewaffnete Mitglieder der "von Israel ausgebildeten Terrorgruppe Modschahedin-e Chalgh (MKO)", auch bekannt als Volksmudschahedin, aktiv unter den protestierenden Menschen in Chuzestan anwesend seien, um Spannungen zu provozieren.
Der Generalstaatsanwalt der Provinz Chuzestan erklärte am Mittwochabend, dass die Menschen das Recht haben, für ihre Forderung nach Zugang zu sauberem Wasser zu protestieren. In seiner Erklärung hieß es weiter, dass Sicherheitskräfte gegen "Randalierer, ausländische Söldner, die MKO-Terroristen, Separatisten und antirevolutionäre Gruppen vorgehen werden, die die friedlichen Protestkundgebungen der Menschen missbrauchen, um Unsicherheit zu schüren".
Die Wirtschaft Irans wurde durch die vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verhängten Sanktionen und die COVID-19-Pandemie stark gebremst.
Obwohl der gegenwärtige US-Präsident Joe Biden ein entschiedener Kritiker der Iran-Politik seiner Vorgängerregierung ist, sind konkrete Schritte unterblieben, die Sanktionen aufzuheben, von denen Biden selbst eingeräumt hatte, dass sie die Fähigkeit Irans zur Bekämpfung der Pandemie behindern. Arbeiter, darunter Tausende im wichtigen Energiesektor, und Rentner protestieren seit Monaten inmitten von Unzufriedenheit über Arbeitslosigkeit und Inflation.
Auf die Probleme der Menschen in der betroffenen Provinz hinweisend, betonte Ajatollah Chamenei am Freitag, dass die kommende Regierung dies zu einer Priorität machen müsse, und beklagte: "Wenn dieses Problem rechtzeitig angegangen worden wäre, wäre es zu dieser schlimmen Situation nicht gekommen." Auch Chamenei warnte die Bürger, sich der Komplotte bewusst zu sein, die von Feinden des Landes ausgebrütet werden, besonders in der gegenwärtigen Zeit.
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