In Jerusalem verhandelte in der vergangenen Woche ein Bezirksgericht wegen mehrerer Korruptionsvorwürfe gegen Israels derzeitigen Premierminister Benjamin Netanjahu, wie das Neue Deutschland berichtet.
Dabei berichtete in einer über mehrere Tage durchgeführten Zeugenbefragung der ehemalige Geschäftsführer vom dominanten israelischen Nachrichtenportal Walla!, wie er immer wieder von der Spitze des Mutterkonzerns Bezeq bedrängt wurde: Kritische Berichterstattung gegen Netanjahu sollte er nicht zulassen.
Eindeutige Gesprächsmitschnitte wurden abgespielt und bestätigen die Vorwürfe gegen den heute 71-jährigen Premierminister. Netanjahu wird zudem vorgeworfen, von befreundeten Milliardären Luxusgeschenke im Wert von rund 700.000 Schekel (etwa 184.000 Euro) angenommen zu haben, berichtet die Jüdische Allgemeine.
Parallel erteilte dennoch der israelische Präsident Reuven Rivlin einige Kilometer weiter eben jenem Benjamin Netanjahu erneut den Auftrag einer Regierungsbildung, stellte dabei jedoch klar: Er habe "ethische Bedenken." Er glaube nicht daran, dass Netanjahu ernsthafte Chancen habe, eine Mehrheit zu finden. Aber er sei dem Gesetz nach dazu verpflichtet, die Regierungsbildung zu fokussieren.
Zum vierten Mal in nur zwei Jahren wurde im März ein neues Parlament gewählt; Netanjahus nationalkonservativer Likud ("Zusammenschluss") ging dabei mit 30 von 120 Sitzen wiederum als stärkste Partei hervor. Konservative, rechte und religiöse Parteien hätten in der Summe eine komfortable Mehrheit – lehnen aber Netanjahu als alten und neuen Regierungschef ab, weil er das Land spaltet – wie kaum jemand zuvor.
Deutlich versuchte Netanjahu schon vor der Wahl, eine Mehrheit aus seinem Likud und den beiden religiösen Parteien zu schmieden – der konservativen islamischen Ra'am (Vereinigte Arabische Liste) und der rechtsradikalen Religiös-Zionistischen Partei, was von letzterer abgelehnt wurde.
Doch auch allen anderen Optionen zur Regierungsbildung fehlt die Mehrheit: Die Weltanschauungen der Parteien sind einfach zu unterschiedlich. Auch das Werben mit möglichen attraktiven Posten in einer neuen Regierung hilft Netanjahu bislang wenig.
Detailliert untersuchten Journalisten, wie der Premier und sein Team in den vergangenen Monaten immer wieder den Vizepremier Benny Gantz umgingen. Dieser war mit seiner Blau-Weiß-Liste nach der vorangegangenen Wahl überraschend aus dem Anti-Netanjahu-Lager übergelaufen, so das Neue Deutschland.
Dafür sollte Gantz in die Regierung eingebunden werden. Dabei waren die Verstimmungen in der letzten Regierung so groß, dass Rechnungen für die enormen israelischen Impfstoffimporte unbezahlt blieben, weil die entsprechenden Mittel nicht freigegeben wurden.
Da Netanjahu offenbar auch im Likud als nicht mehr tragbar gilt, scheint sich nun eine Kompromisslösung anzubahnen. Man wolle Netanjahu zum Staatspräsidenten machen. Denn dann hätte dieser die Immunität, auf die er seit Jahren hinarbeitet, um nicht weiterhin juristisch belangt zu werden zu können – "und das politische Tagesgeschäft wäre ihn los", so das Neue Deutschland.
Kritiker befürchten jedoch, dass dadurch eine Art Schattenregierung entstehen könne. Denn als Präsident hätte Netanjahu Zugang zu internen Informationen, könnte weiterhin seine Klientelpolitik betreiben oder Gesetze durch Verzögerung seiner Unterschrift zeitweise oder ganz boykottieren.
Der Premierminister selbst spricht von einem "Putschversuch" gegen ihn und bezichtigte seine Gegner, diese würden eine "Hexenjagd" gegen ihn veranstalten.
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