Mission Impossible? – UN-Sonderbeauftragter für Syrien vermittelt in Damaskus

Am Sonntag traf der UN-Sonderbeauftragte für Syrien in Damaskus ein. Der norwegische Diplomat Geir O. Pedersen steht vor einer Herkulesaufgabe: Er soll die weitere Arbeit des Verfassungskomitees voranbringen, muss dabei aber die zahlreichen Interessen der verschiedenen Akteure berücksichtigen.

von Karin Leukefeld

Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, der norwegische Diplomat Geir O. Pedersen ist am Sonntag in Damaskus eingetroffen. Auf der Tagesordnung stehen "intensive Beratungen über das Verfassungskomitee", wie der russische Sonderbeauftragte für Syrien, Alexander Lawrentiew, gegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS erläuterte.

Die weitere Arbeit des Verfassungskomitees sei unklar, sagte Lawrentiew. Pedersen habe ihm gesagt, er "brauche Zeit, um zu verstehen, in welchem Umfang Damaskus bereit ist, an der Arbeit für eine neue Verfassung teilzunehmen". Auch über den zukünftigen Arbeitsmechanismus müsse man sich einigen. Sobald er, Pedersen, das einschätzen könne, werde er zu einem neuen Treffen nach Genf einladen. Die Arbeit des Verfassungskomitees brauche Zeit, so Lawrentiew. Er hoffe auf positive Ergebnisse der Gespräche in Damaskus.

Dem Verfassungskomitee, das unter dem Dach der UN in Genf Grundlagen für eine Verfassungsreform in Syrien ausarbeiten soll – andere sprechen von einer komplett neuen Verfassung – gehören Vertreter der syrischen Opposition und der syrischen Zivilgesellschaft sowie Beauftragte der syrischen Regierung an. Das jüngste Treffen war Ende Januar ins Stocken geraten. Die ursprünglich vereinbarte Aufgabenbeschreibung und Arbeitsweise des Komitees war von einer Seite in Frage gestellt worden. Nach einer Sitzung im UN-Sicherheitsrat Anfang Februar hatten EU-Staaten "das syrische Regime" für die Blockade verantwortlich gemacht.

Vor einer Woche hatte Pedersen auf Einladung Russlands in Sotchi an dem 15. internationalen Treffen im Astana-Format teilgenommen. Anschließend traf der Diplomat in Moskau mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow und weiteren hochrangigen politischen und militärischen Diplomaten getroffen.

"Ausführlich" habe man über die vielen Aspekte der Krise in Syrien gesprochen, hieß es anschließend im russischen Außenministerium.  Es sei "um die Lage vor Ort und die Notwendigkeit der humanitären Hilfe" gegangen. Thema sei auch die schwierige "sozioökonomische Situation" gewesen. Umfangreiche Hilfe werde für die Bevölkerung im gesamten syrischen Territorium gebraucht, "ohne Diskriminierung, Politisierung und Vorbedingungen", hieß es.  Auch über "Aspekte eines funktionierenden multilateralen Formats" hätten Pedersen und Lawrow gesprochen, um schnellstmöglich "effiziente Lösungen" zu finden, mit denen "die Einheit, territoriale Integrität und Souveränität Syriens" bewahrt werden könnten. Man sei sich einig gewesen, dass es keine Alternative zu einer politischen Lösung im Rahmen der UN-Sicherheitsratsresolution 2254 gebe.

Nach seinem Briefing des UN-Sicherheitsrates am 9. Februar hatte Pedersen gegenüber Journalisten ungewöhnlich deutliche Worte gefunden. Eine Lösung in Syrien und auch im Verfassungskomitee brauche eine "konstruktive internationale Diplomatie", forderte er. Selbst wenn die Teilnehmenden des Verfassungskomitees wollten, werde es ihnen schwer gemacht, Kompromisse zu finden, weil die internationalen Akteure in Syrien ihre eigenen Interessen verfolgten.

Es gehört zu den Aufgaben der UN, unparteiisch auf der Basis von UN-Charta und Völkerrecht zu agieren, was die Arbeit des UN-Sonderbeauftragten schwierig macht. Nicht überall trifft Pedersen auf Gesprächsbereitschaft wie in Moskau in den letzten Tagen. Syrien ist für die regionalen und internationalen staatlichen und nicht-staatlichen Akteure zu einem Spielfeld geworden, in dem sie jeweils eigene Interessen verfolgen. Entsprechend formulieren sie eigene Forderungen. Die Aufgabe von Pedersen ist es, aus alle dem einen Verhandlungsweg zu entwickeln. Je länger der Konflikt in Syrien aber dauert und je weniger Kompromissbereitschaft es gibt, desto schwieriger wird es, die festgefahrenen Positionen zu lösen.

Divergierende Interessen

Die syrische Führung fordert den Abzug von türkischen und US-amerikanischen Truppen aus Syrien, die jeweils unterschiedliche Gegner gegen die syrische Regierung unterstützen. Der Zugang zu den syrischen Öl- und Gasressourcen soll freigeben werden, die im Nordosten des Landes von den USA und den von ihnen unterstützten kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften kontrolliert und ausgebeutet werden. Israel soll seine nicht-provozierten Angriffe auf syrische Militärstellungen einstellen. Die EU und die USA werden aufgefordert, ihre einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien und seine Verbündeten aufzuheben. Syrien fordert Unterstützung für den Wiederaufbau oder zumindest keine Behinderung beim Wiederaufbau des Landes und der Rückkehr von Inlandsvertriebenen und Flüchtlingen. Die syrische Führung beharrt auf dem Respekt der Souveränität und territorialen Integrität des Landes.

Die USA ihrerseits verfolgen in Syrien weitreichende geostrategische Interessen. Der Verhandlungsprozess im Astana-Prozess, der wesentlich auf russische Initiative 2017 mit Iran und der Türkei ins Leben gerufen wurde, wird von Washington boykottiert. Syrien ist für die US-Administration eine "Grauzone", in der militärisch, wirtschaftlich und politisch nicht nur die syrischen und regionalen Akteure untereinander ausgespielt werden, sondern auch Russland und China in Schach gehalten werden sollen.

Großbritannien, Frankreich und Deutschland verfolgen, teilweise in Kooperation, teilweise in Konkurrenz mit den USA, eigene Interessen in Syrien und unterstützen dabei verschiedene lokale und regionale Akteure. Mit dem Festhalten an den einseitig verhängten wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien wird ein Wiederaufbau des Landes verhindert. Alle drei Staaten wetteifern zudem um die Kontrolle von strategisch wichtigen Versorgungs- und Transportwegen zu Land und zu See in der Region, für die Syrien Dreh- und Angelpunkt ist. Alle drei Staaten tragen erheblich zur Militarisierung und Aufrüstung der Region bei.

Die Nachbarländer Syriens Irak, Jordanien, Libanon werden von den USA und der EU sowie der NATO in diese Politik eingebunden, zunehmend wird dafür auch die humanitäre Hilfe im Rahmen einer "zivil-militärischen Zusammenarbeit" instrumentalisiert.

Das NATO-Mitglied Türkei verfolgt in Syrien ebenfalls eigene Interessen. Stand zu Beginn des Krieges noch die Unterstützung der Muslim-Bruderschaft im Vordergrund, ist es heute der Kampf gegen die Autonomiebestrebungen der syrischen Kurden.

Israel bekämpft in Syrien den Iran, der mit seiner Unterstützung der syrischen Armee während des Krieges durch Militärberater und Milizen seinen Einfluss in der Region über den Irak hinaus ausweiten konnte.

In diesem regionalen und internationalen Wettstreit bleiben die Menschen auf der Strecke. Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Geir O. Pedersen ist der vierte erfahrene UN-Diplomat, der sich im Auftrag des UN-Generalsekretärs seit 2012 für eine Vermittlung in dem Kriegsland einsetzt. Die sei nur möglich, wenn die internationale Gemeinschaft ihre Spaltung überwindet, so Pedersen. Seine Vorgänger Staffan De Mistura, Lakhdar Brahimi und Kofi Annan setzten sich vergeblich für die Kooperation der Großmächte im UN-Sicherheitsrat ein.

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