In der Corona-Gesundheitskrise setzt vermutlich kein anderes Land so stark auf Massenimpfungen wie Israel. Mittlerweile hat das Land fast 20 Prozent seiner Bevölkerung komplett geimpft. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sprach davon, dass schon bald 150.000 Israelis pro Tag geimpft werden könnten. Dieses Ziel käme "fast einem Weltrekord gleich". Zum Einsatz kommen dabei neben dem Moderna-Impfstoff vor allem die Vakzine von BioNTech und Pfizer. Von diesem standen dem neun Millionen Einwohner großem Land bis Ende Januar laut Medienberichten bis zu 5,6 Millionen Impfdosen zur Verfügung. Zum Vergleich: Deutschland kommt laut Bundesgesundheitsministerium nur auf drei bis vier Millionen Impfdosen.
Ob die Impfkampagne Israels erfolgreich ist, wird sich erst noch zeigen. Die Fälle an positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Personen ist in den letzten Wochen zwar zurückgegangen, aber immer noch hoch. Außerdem befindet sich das Land mittlerweile im dritten Lockdown seit Beginn der Corona-Gesundheitskrise. Medienberichten zufolge kam es bei Tausenden Israelis auch zu Neuinfektionen nach der Impfung mit der ersten Dosis des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs, der seine maximale Wirksamkeit erst nach Verabreichung der zweiten Dosis entfalten soll. Weiterhin ist zudem unklar, ob die Impfstoffe wirklich vor einer Übertragung des SARS-CoV-2-Erregers schützen.
Doch die israelische Regierung geht davon aus, dass die Risikogruppen durch die Impfungen im Rekordtempo geschützt werden und so eine schnelle Rückkehr zur Normalität möglich sein soll. Einer der Gründe für den schnellen Start der Massenimpfung liegt darin, dass Israel sich recht früh um die Bestellung des Impfstoffs des Pharmakonzerns Pfizer kümmerte. Außerdem ist das Gesundheitssystem stark digitalisiert, was die Organisation der Impfkampagne sehr vereinfacht.
Auch der sichere Nachschub an Impfstoff ist eine der Voraussetzungen für die israelische Impfkampagne. Dem israelischen Journalisten Nadav Eyal zufolge ist auch wahrscheinlich, dass Geld eine Rolle spielte, denn Medienberichten zufolge zahlt Israel einen höheren Preis pro Dosis als die USA oder Israel:
"Die EU zahlt für eine Impfdosis etwa 18 US-Dollar. Israel zahlt laut Medienberichten 30 US-Dollar. Für Pfizer hat das eine große Bedeutung."
Der israelischen Regierung zufolge hat es aber noch andere Gründe, warum Pfizer Israel bevorzugt mit Impfstoff versorgt, denn neben dem höheren Preis, den Israel pro Impfdosis zahlt, werden Pfizer auch die anonymisierten Gesundheitsdaten der Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Laut Gesundheitsminister Yuli Edelstein sind diese Daten für Pfizer sehr wertvoll, denn so könne der Pharmakonzern sehen, wie sich das Impfen auf verschiedene Bereiche auswirkt, beispielsweise auf die Verbreitung von SARS-CoV-2, auf die mögliche "Wiedereröffnung" des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft oder das soziale Leben. Auch die Nebenwirkungen des Impfstoffs könne man beobachten.
Premierminister Netanjahu, der betonte, dass Israels Massenimpfungen im Rekordtempo erst durch diesen Deal möglich sind, bezeichnete sein Land in diesem Zusammenhang auch als "Testlabor für die Welt":
"Man braucht persönliche Führungsstärke, aber unser Alleinstellungsmerkmal war, dass Israel als Testlabor für die Welt dienen kann, weil hier Herdenimmunität oder etwas, was ihr sehr nahe kommt, schnell erreicht werden können."
Auch Eyal bescheinigte dem Land aufgrund seiner Altersstruktur gute Voraussetzung für die Massenimpfungen:
"Israel ist grundsätzlich ein gutes Experimentierfeld für Impfungen. Weil die Bevölkerung vergleichsweise jung ist, braucht man hier nur wenig Zeit, um alle Menschen in Risikogruppen zu impfen."
Und die Bevölkerung für die Impfung zu "motivieren", wurde in Israel zudem ein Impfausweis eingeführt. Personen mit diesem Grünen Ausweis können dann wieder von ihren Grundrechten Gebrauch machen – beziehungsweise von den "neuen Freiheiten", wie sie Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst bezeichnete. So soll in Israel beispielsweise allen, die geimpft sind, das Reisen ohne Quarantänepflicht nach der Rückkehr möglich sein.
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