Afghanische Regierung verkündet Einigung mit Taliban in wichtigen Fragen der Friedensgespräche

Die afghanische Regierungsdelegation um Abdullah Abdullah verkündete kürzlich, dass sich die Regierung in Kabul und die Taliban-Gruppe einem Kompromiss in wichtigen Fragen der Friedensgespräche angenähert hätten.

Die afghanische Regierungsdelegation um Abdullah Abdullah, den Vorsitzenden des Hohen Rats für nationale Versöhnung, verkündete kürzlich, dass die Regierung in Kabul und die militante Taliban-Gruppe sich einem Kompromiss in wichtigen Fragen der Friedensgespräche angenähert hätten. Er erklärte, dass beide Seiten vereinbart hätten, die hanafitische Rechtsschule als islamische Leitlehre in Afghanistan anzuerkennen, ohne die schiitischen Gemeinschaften oder Minderheiten zu diskriminieren, berichtete Press TV am 1. Oktober. Die hanafitische Rechtsschule ist seit dem Ende der Zeit der Umayyaden im sunnitischen Islam vorherrschend. Sie ist die am weitesten verbreitete Rechtsschule, der etwa die Hälfte der Sunniten folgt. Die Taliban hatten in den Verhandlungsgesprächen mehrfach auf die strikte Einhaltung der Hanafi-Schule der sunnitisch-islamischen Rechtsprechung gedrängt.

Ein weiteres Hindernis bei den Verhandlungen war, in welchem Ausmaß die Taliban die Legitimität der Regierung von Kabul im Rahmen eines künftigen Abkommens anerkennen wollten. Abdullah sagte, beide Seiten hätten Fortschritte in dieser Frage gemacht, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen. 

Letzte Woche traf eine afghanische Delegation in Pakistan ein, um weitere Gespräche über den Friedensprozess zu führen. Abdullah schlug einen deutlich versöhnlichen Ton an und betonte die Wertschätzung seines Landes für die Hilfe Pakistans im Friedensprozess und die Notwendigkeit einer neuen Ära bilateraler Beziehungen.

Afghanistan und Pakistan beschuldigen sich gegenseitig, bewaffneten Gruppen wie den Taliban und Tehrik-i-Taliban Pakistan, die an den Grenzen der beiden Länder kämpfen, sichere Zufluchtsorte zu gewähren.

Jahrelang lehnten die aufständischen Taliban Verhandlungen mit der afghanischen Regierung ab. Zum ersten Mal seit Ende 2001 redeten die afghanische Regierung und die Taliban unter US-Vermittlung am 12. September in Doha direkt miteinander. Das Treffen in der katarischen Hauptstadt wurde seinerzeit als "ein historischer Wendepunkt" für Frieden in Afghanistan bezeichnet. Unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, bei denen mehr als 3.000 Menschen starben, begann der Afghanistan-Krieg. Die Taliban-Regierung in Afghanistan soll die für die Anschläge verantwortliche Terrorgruppe Al-Qaida unterstützt haben. Das Militärbündnis NATO antwortete am 7. Oktober 2001 mit einer von den USA angeführten Offensive gegen die Taliban. Die USA marschierten seinerzeit in Afghanistan ein, um angeblich die Taliban zu bekämpfen und den Afghanen "Demokratie und einen säkularen Staat" zu bringen. Nun interessieren sich die Amerikaner im Zuge der Friedensgespräche offenbar nicht mehr für "Demokratie". "Die Wahl Ihres politischen Systems liegt bei Ihnen", sagte der US-amerikanische Außenminister Mike Pompeo in seiner Ansprache in Doha. Pompeos Aussage war eine Anspielung auf die Taliban-Forderung nach einer islamischen Rechtsordnung in Afghanistan als Grundlage der Verhandlungen. 

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