Nach der Tötung des unbewaffneten, autistischen Palästinensers Iyad Hallak durch die israelische Grenzpolizei ziehen Aktivisten Parallelen zu dem Tod von George Floyd in Minneapolis, der ebenfalls unbewaffnet starb, nachdem ein Polizist minutenlang auf seinem Hals gekniet hatte.
Die israelischen Polizisten hatten den 32-Jährigen in der Altstadt von Jerusalem erschossen, weil sie sein Handy für eine Waffe hielten, und der Mann mehrere Aufforderungen zum Stehenbleiben missachtet habe, so der israelische Armeerundfunk. Nach Informationen des Fernsehsenders Palestine TV soll er "spezielle Bedürfnisse" gehabt haben. Wie jeden Morgen sei er auf dem Weg zum Elwyn-Zentrum für Kinder und Erwachsene mit besonderen Bedürfnissen in der Altstadt gewesen, weil er eine Form von Autismus hatte.
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Einer der beiden an der Verfolgungsjagd beteiligten Beamten habe auch dann noch weiter geschossen, als der andere ihn angewiesen habe, damit aufzuhören, hieß es von dem Sender. Israels Oppositionsführer Jair Lapid erklärte in einem Tweet:
Der Tod eines jungen Mannes mit speziellen Bedürfnissen ist herzzerreißend. (...) Das ist nicht unser Weg.
Auch Amir Ohana, der israelische Minister für Innere Sicherheit und Anhänger der Likud-Partei, bekundete gegenüber der Familie Halak, dass er "ihren Schmerz teile." Gleichzeitig betonte er, die Polizeibeamten, die ihn getötet haben, dürfen nicht überstürzt verurteilt werden, da sie "in einem Gebiet, das zahlreiche Terroranschläge erlebt hat und häufig in Lebensgefahr ist, in Sekundenschnelle über Leben und Tod entscheiden müssen".
Am 28. Mai hatte Ohana noch auf Facebook geschrieben: "Eine Person – irgendeine Person –, die einen Polizeibeamten angreift – irgendeinen Polizeibeamten –, muss wissen, dass sie ihr eigenes Leben riskiert", was einige Kommentatoren als regelrechten Freifahrtsschein zur Erschießung von Zivilisten interpretierten.
So wie es jetzt aussieht, wird ein Araber, wann immer die Polizei einen Araber sieht, sofort zur Zielscheibe", so Iyad Hallaks Cousine Hatem Awiwi gegenüber Al-Monitor.
Halak hat die Beamten nicht tatsächlich angegriffen – er wurde erschossen, nachdem er in einem Hinterzimmer in die Enge getrieben wurde, wo er unschwer hätte neutralisiert oder verhaftet werden können.
Scheinbar sei er wegen seines Zustands durch die Polizei verängstigt gewesen und floh deshalb in das Hinterzimmer, erklärte Hatem Awiwi. "Das hielt sie jedoch nicht davon ab, ihn dort zu erschießen, selbst nachdem seine Betreuerin im Zentrum anfing zu schreien: "Er ist behindert!"
Er versteckte sich hinter einem Müllcontainer in dem Hinterzimmer, wo er sich "zusammenrollte wie ein Baby" und schrie "Ich gehör zu ihr, ich gehör zu ihr."
Dann kam der Offizier und schoss ihm in die Brust, während er sich aus Angst hinter dem Müllcontainer versteckte", sagte Ranad.
Nach seinem Tod und der Erkenntnis, dass er lediglich ein Mobiltelefon, aber keine Waffe bei sich trug, haben rund 20 Polizisten sein Familienhaus untersucht, offenbar um belastendes Material zu suchen, was sie aber nicht fanden. Dabei beschimpfte ein Polizist Halaks Schwester.
Der palästinensisch-amerikanische Juraprofessor und Komiker Amer Zahr zog in einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite die Parallele zu Floyd und schrieb:
Wenn die Palästinenser George Floyd sehen, sehen wir Eyad al-Halak.
Viele Demonstranten verweisen auf den Slogan "Black Lives Matter" (Schwarze Leben zählen), der im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde, nachdem der 43-jährige, ebenfalls unbewaffnete Eric Garner, der – wie auch Floyd – trotz Hilferufen und Ringen nach Luft bei einer Festnahme durch brutale Polizisten ums Leben kam.
Unter der Überschrift "Zwei Länder, ähnliches System" verwiesen andere Nutzer, darunter die ehemalige Beraterin des palästinensischen Premierministers Inès Abdel Razek, auf die Parallelen zwischen Israel und den USA.
Der Chefunterhändler der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Saeb Erakat, schrieb in einem Tweet, Halaks Tötung war "ein Verbrechen, das ungestraft bleiben wird, solange die Welt nicht aufhört, Israel wie einen Staat zu behandeln, der über dem Gesetz steht."
Auch "J Street", eine Organisation die pro-israelische US-Amerikaner zusammenbringt, verurteilte die Tötung des eingeschüchterten Palästinensers und zog Parallelen zu den strukturellen Problemen in den USA: Wir bringen unsere Solidarität mit gewaltlosen Demonstranten in Israel und den palästinensischen Gebieten zum Ausdruck, die auf die Straße gingen, um Gerechtigkeit für el-Hallak zu fordern, wobei viele von ihnen Schilder mit der Aufschrift "Palestinian Lives Matter" trugen und Parallelen zur Ermordung von George Floyd zogen.
Obwohl die beiden Vorfälle unterschiedlich sind, könnten die Verbindungen nicht ignoriert werden, so "J Street". Innerhalb Israels und in den besetzten palästinensischen Gebieten seien die allzu häufigen Fälle von Gewalt, willkürlichen Verhaftungen und Schikanierung von Palästinensern durch Sicherheitskräfte und Polizei ein Merkmal einer tief verwurzelten Besatzung.
Die UN stuft die Gebiete im Westjordanland sowie im Gazastreifen als besetzt ein.
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