Der seit der Teilung des indischen Subkontinents im Jahr 1947 schwelende Konflikt zwischen den Nachfolgestaaten Indien und Pakistan um Kaschmir gehört zu den potenziell gefährlichsten Konflikten der Welt. Schon damals endete die "Partition", wie die Teilung noch heute bezeichnet wird, in einem wahren Blutrausch. Bei dem gewaltigen Völkeraustausch, als binnen weniger Monate etwa fünfzehn Millionen Menschen ihre Heimat verließen – freiwillig und unfreiwillig -, um sich je nach Religionszugehörigkeit entweder in dem neuen muslimischen Staat West- und Ost-Pakistan (dem heutigen Bangladesch) oder in dem mehrheitlich von Hindus dominierten Indien niederzulassen.
Während dieser relativ kurzen Zeit fielen Menschen übereinander her, die jahrhundertelang in einer geduldeten Koexistenz zusammenlebten. Es gibt keine genauen Opferzahlen, aber die Wissenschaft geht von mindestens einer Million Todesopfer aus, die Dunkelziffer liegt bedeutend höher. Überlebende dieser Katastrophe sprachen von einem "Schlachthaus", das die ganze Region noch heute belastet. Für die britischen Kolonialherren hingegen war der Abzug aus Indien mit sieben Todesopfern weit weniger dramatisch. Wie in Palästina ein Jahr später, überließen sie die einstigen Kolonien bzw. Mandatsgebiete ungeordnet sich selbst.
Ein seit der Teilung heiß umkämpftes Gebiet im Hochgebirgsraum des Vorderen Himalaya, Kaschmir, sorgte in den vergangenen 72 Jahren immer wieder für Spannungen zwischen Pakistan, Indien und China. Diese Spannungen entluden sich vor allem zwischen den Erbfeinden in Kriegen (1949, 1965 und 1999) um die Region. Seit dem Aufstieg beider Länder zu Atommächten schreckten weder Islamabad noch Neu-Delhi davor zurück, auch mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen.
Nach dem Anschlag am 14. Februar 2019 auf einen Konvoi der indischen Paramilitärs im kaschmirischen Bezirk Pulwama, bei dem 44 Mitglieder der Central Reserve Police Force (CRPF) ums Leben kamen, ist die Sorge vor einer Eskalation stark angestiegen. Vor allem der Umstand, dass sich die pakistanische Terrororganisation Jaish-e-Mohammed (Armee von Mohammed) zu dem Anschlag bekannt hatte, ließ die Emotionen in Indien hochkochen. Ministerpräsident Narendra Modi sprach von einem "niederträchtigen Angriff" und versprach, dass die "Opfer, die unsere mutigen Sicherheitskräfte erbracht haben, nicht vergeblich sein werden".
In einigen Städten Indiens kam es zu Ausschreitungen und Drohungen gegen muslimische Kaschmiris, die von Anhängern der rechtsgerichteten hinduistischen Organisation Hindu Sena noch zusätzlich angeheizt wurden.
Die nationalistisch-hinduistische Partei Shiv Sena (SHS), die als Teil der "National Democratic Alliance" mit der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP) von Narendra Modi verbündet ist, forderte den Ministerpräsidenten indes auf, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen und Pakistan "anzugreifen". Neu-Delhi solle nach dem Vorbild der USA handeln, als diese 2011 Osama bin Laden im pakistanischen Abbottabad töteten.
Rückendeckung erhielt Indien nun auch aus Washington. Das Weiße Haus rief Pakistan auf, "umgehend jegliche Unterstützung und Rückzugsorte für alle Terrorgruppen zu beenden, die auf [pakistanischem] Territorium operieren (und) deren einziges Ziel es ist, Chaos, Gewalt und Terror in der Region zu säen". Auch der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, John Bolton, versprach laut dem indischen Außenminister, die Urheber des Terroranschlags zur Verantwortung zu ziehen. Modi sagte nach einer Sitzung mit seinen Beratern, dass Indien eine "passende Antwort liefern wird" und dass man "unserem Nachbarn nicht erlauben wird, uns zu destabilisieren".
Pakistan, das sich selbst in einer schwierigen Phase der politischen Umwälzungen – national wie auch regional – befindet, hat kein Interesse an einem militärischen Konflikt mit seinem Nachbarn. Das weiß natürlich auch Modi. Deshalb versucht Islamabad, die Spannungen zu lösen, und erhofft sich politische Unterstützung von allen, die dazu bereit sind. Die Direktorin des Außenministeriums, Tehmina Janjua, nannte die "vorsätzliche antipakistanische Raserei" und "grundlosen indischen Vorwürfe und die aggressive Rhetorik kontraproduktiv" und meinte, dass diese eine "Bedrohung für den regionalen Frieden" darstellten.
Den indischen Vorwurf einer pakistanische Urheberschaft des Anschlags wies Islamabad von sich, da dieser "in einer kurzen Zeit nach dem Anschlag erhoben wurde, ohne dass irgendeine Untersuchung durchgeführt wurde". Das pakistanische Außenministerium betonte den Wunsch nach einer Normalisierung der Beziehungen zu Indien. Auch China zeigte sich von den voreiligen Anschuldigungen aus Neu-Delhi irritiert und rief Indien auf, über die eigene Politik in Kaschmir nachzudenken. Doch Raveesh Kumar, Sprecher des indischen Außenministeriums, lehnte die Forderung nach vorheriger Untersuchung ab:
Die Forderung nach einer Untersuchung ist absurd, wenn es ein Video des Selbstmordattentäters gibt, der sich als Mitglied von Jaish-e-Mohammed (JeM) vorstellt. Es gibt auch andere audio-visuelle und Druckmaterialen, die JeM mit dem Terroranschlag in Verbindung bringen. Wir haben daher keinen Zweifel, dass die Anschuldigung richtig begründet ist.
Am Montag kam es zu Gefechten zwischen indischen Sicherheitskräften und JeM-Extremisten, bei denen vier indische Soldaten und drei Terroristen ums Leben kamen.
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