Proteste in Kasachstan eskalieren: Großstadt Almaty und Flughafen unter Kontrolle der Demonstranten

Die Protestierenden in Kasachstan haben die ehemalige Hauptstadt Almaty und den dortigen Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht. Die Ausschreitungen weiten sich im ganzen Land aus, es gibt bereits Tote und zahlreiche Verletzte. Mehrere Verwaltungsgebäude sind besetzt.

Am vierten Tag seit Beginn der Proteste droht die Situation in Kasachstan in völliges Chaos umzuschlagen. In der ehemaligen Hauptstadt Almaty im Süden des Landes hat die protestierende Menge die Sicherheitskräfte von den Straßen vertrieben. Dies meldet RT-Korrespondent Iwan Schdanow, der sich im Land befindet:

"Fast jede Stadt in Kasachstan ist von der Flamme des Protests erfasst. Meldungen zufolge gibt es in Almaty keinen Vertreter der Sicherheitsorgane mehr – weder die Polizei noch die Nationalgarde. Die Protestierenden haben sie aus der Stadt vertrieben. Polizisten wurden attackiert und entwaffnet. Die Feuerwaffen samt Munition wurden ihnen einfach weggenommen. Außerdem wurde ein Waffengeschäft ausgeplündert. Die Lage ist äußerst explosiv." 

Das Geschehen auf den Straßen Almatys wird von vielen Einwohnern mit Mobiltelefonen festgehalten. Eines der Videos aus dem Fenster eines Bürohauses zeigt, wie ein Polizist von einer Gruppe junger Männer entwaffnet wird: 

Auch der internationale Flughafen in Almaty wurde von einer Gruppe Demonstranten besetzt. Alle Flüge sind bis Ende des Tages gestrichen. "Ersten Berichten zufolge befinden sich derzeit etwa 45 Angreifer im Flughafen. Als sie eintraten, verließen unsere Mitarbeiter den Flughafen. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme befanden sich keine Passagiere im Terminal. Wir haben die Passagiere vorzeitig evakuiert", teilte der Pressedienst des Flughafens mit.

Inzwischen habe auch das Militär den Flughafen verlassen: "Wir wissen nicht, wann sie gegangen sind. Sie sind im Moment nicht anwesend. Die Mitarbeiter des Flughafens setzten ihre eigenen Mittel ein, um die Passagiere zu evakuieren." Auch der Flughafen in Aktau hat seinen Betrieb eingestellt. 

Landesweit gibt es zudem Probleme mit dem Internet, das vermutlich von den Behörden gedrosselt wird. Auch Fernsehkanäle liefern derzeit kein Bild. In der Hauptstadt Nur-Sultan wurde Militärtechnik gesichtet. Das Ausmaß der Proteste in Kasachstan ist seit den dreißig Jahren der Unabhängigkeit beispiellos. 

Nach Angaben von Präsident Qassym-Schomart Toqajew gab es bereits Tote und Verletzte. Zahlen nannte er am Mittwoch zunächst nicht. "Es gibt Tote und Verletzte. ... Die Situation bedroht die Sicherheit aller Bürger von Almaty. Und das kann nicht toleriert werden", sagte Toqajew in einem Appell an seine Landsleute, der zuerst von russischen Medien verbreitet wurde. 

Toqajew kündigte zugleich ein hartes Durchgreifen der Sicherheitskräfte an. Das sei ein Verbrechen, auf das eine Strafe folgen werde, sagte das Staatsoberhaupt. Gegen die Ausschreitungen werde "so hart wie möglich" vorgegangen. Er stellte zudem Reformen in Aussicht. "Ich werde bald mit neuen Vorschlägen zur politischen Transformation Kasachstans an die Öffentlichkeit treten." Details nannte er nicht.

Zugleich wies er Gerüchte zurück, das Land verlassen zu wollen. Er habe vielmehr den Vorsitz des Sicherheitsrates übernommen. "Es ist meine verfassungsmäßige Pflicht, beim Volk zu sein. Gemeinsam werden wir diesen schwarzen Streifen in der Geschichte Kasachstans überwinden."

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