Indien erwägt Baustopp neuer Kohlekraftwerke

Indien durchlebt gerade einen Sinneswandel im Bereich der Stromerzeugung. Medienberichten zufolge beschäftigt sich die Führung des Landes mit der Option, keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu bauen. Dies könnte zu einer Krise bei der Stromversorgung führen.

Aktuell prüft Indien einen Vorschlag, der einen Baustopp für neue Kohlekraftwerke vorsieht. Hiermit will das Land seine Klimazusagen erfüllen. Das berichtete die indische Zeitung Economic Times am Mittwoch unter Berufung auf informierte Quellen.

Im Rahmen seiner Zusagen während des COP26-Klimagipfels im vergangenen Monat verpflichtete sich Indien, ab 2070 keine Emissionen mehr zu verursachen und bis 2030 500 Gigawatt (GW) an erneuerbaren Energiekapazitäten zu installieren.

Ende Oktober legte ein vom Energieministerium des Landes eingesetzter Expertenausschuss neue Empfehlungen zur Änderung der indischen Nationalen Elektrizitätspolitik (NEP) vor und empfahl der Führung des Landes, keine neuen Kohlekraftwerke mehr in Betracht zu ziehen. Der Bericht des Ausschusses werde derzeit noch geprüft, erklärte ein hoher Regierungsbeamter der Economic Times.

Die Empfehlungen sehen vor, alte Kohlekraftwerke nur dann durch neue zu ersetzen, wenn "überzeugend nachgewiesen wird, dass die prognostizierte Nachfrage nicht aus alternativen, nicht-fossilen Energiequellen gedeckt werden kann", erklärte eine Quelle, die mit den Details vertraut ist, gegenüber der indischen Zeitung.

Der Vorschlag, neue Kohlekapazitäten zu stoppen, stellt eine Kehrtwende gegenüber den zuvor angenommenen nationalen Strategien der indischen Elektrizitätspolitik dar. Diese besagten, dass Kohle eine billige Stromquelle ist und nicht aufgegeben werden sollte. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass Indien in absehbarer Zeit aus der Kohle aussteigen wird.

Die Internationale Energieagentur (IEA) teilte vergangene Woche mit, dass die weltweite Kohlenachfrage in diesem und im nächsten Jahr trotz verschiedener Netto-Null-Zusagen einen Rekordwert erreichen wird.

Ausgehend von den aktuellen Trends werde die weltweite Kohlenachfrage im Jahr 2022 auf mehr als 8.000 Millionen Tonnen ansteigen und bis ins Jahr 2024 auf diesem Niveau bleiben, so die IEA in ihrem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht "Coal 2021".

In den nächsten zwei Jahren könnte die weltweite Kohlenachfrage sogar einen neuen Höchststand erreichen, da die Schwellenländer, allen voran China und Indien, den Verbrauchsanstieg anführen werden, der den Rückgang in den Industrieländern übertreffen dürfte, so die IEA weiter. In Indien werden das stärkere Wirtschaftswachstum und die zunehmende Elektrifizierung den Prognosen zufolge bis 2024 ein jährliches Wachstum von vier Prozent bei der Kohlenachfrage bewirken. 

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