Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP taucht eine Episode der weltweit beliebten Trickfilmserie "Die Simpsons" nicht mehr im Angebot des Streaming-Kanals Disney+ in Hongkong auf. Das Unternehmen Disney+ startete vor 18 Monaten und hat seit dem weltweit mehr 116 Millionen Abonnenten. Die Hongkong-Version wurde Anfang des Monats ins Netz gestellt, und aufmerksamen Kunden fiel bald auf, dass eine bestimmte Folge der "Simpsons" fehlt.
In Episode 12 der 16. Staffel, die 2005 erstmals ausgestrahlt wurde, reist die Familie Simpson nach China, um dort ein Baby zu adoptieren. In dieser Folge besuchen sie auch den Platz des Himmlischen Friedens in Peking, auf dem 1989 von der chinesischen Regierung gewaltsam Proteste niedergeschlagen wurden. Auf dem Platz selbst starben dabei keine Menschen, in anderen Teilen der Stadt verloren nach Angaben von Amnesty International zwischen mehreren hundert und mehreren tausend Menschen ihr Leben.
In der Episode der "Simpsons" ist auf dem Tian'anmen-Platz ein Schild zu sehen, auf dem steht: "Auf diesem Platz ist 1989 nichts passiert". Eine satirische Anspielung auf die Tatsache, dass der chinesische Staat versucht, eine kritische Debatte über die Ereignisse wie auch jede Erinnerung daran innerhalb Chinas zu unterbinden. Die chinesische Regierung vertritt nach wie vor den Standpunkt, dass 1989 "durch entschlossenes Eingreifen die Stabilität des Landes gesichert" worden sei. Diese Ansicht wurde zuletzt auch im Juni 2019 vom chinesischen Verteidigungsminister Wei Fenghe beim Shangri-La-Dialog, der wichtigsten Sicherheitskonferenz in der Region Asien-Pazifik, in Singapur vertreten.
Vorauseilender Gehorsam – oder Druck von außen?
Es ist nicht klar, ob Disney+ die Episode aus eigenem Antrieb entfernt hat oder von den Behörden dazu aufgefordert wurde. Weder das Unternehmen noch die Regierung von Hongkong haben auf Bitten von AFP um eine Stellungnahme reagiert. Als AFP am Montag den Hongkonger Kanal von Disney+ überprüfte, waren die Episoden 11 und 13 von Staffel 16 verfügbar – die 12. allerdings nicht.
Bis vor Kurzem hatte Hongkong im Vergleich zum chinesischen Festland größere künstlerische und politische Freiheiten genossen. Doch nach den großen und oft gewalttätigen Protesten vor zwei Jahren sind die Behörden derzeit dabei, die Stadt umzugestalten. Zu den zahlreichen Maßnahmen gehören neue Zensurgesetze, die in diesem Sommer eingeführt wurden und alle Sendungen verbieten, die gegen ein umfassendes Gesetz zur nationalen Sicherheit verstoßen könnten, das China für Hongkong beschlossen hat.
Die Zensoren haben seitdem Regisseure zu Kürzungen gezwungen und einigen Filmen die Genehmigung zur öffentlichen Vorführung verweigert. Allerdings sind Inhalte, die China persiflieren, in Hongkong weiterhin auf anderen Streaming-Plattformen verfügbar. Der Hongkonger Netflix-Kanal zeigt derzeit noch "Band in China", eine Folge der Zeichentrickserie "South Park". In der Episode landet eine der Figuren in einem chinesischen Arbeitslager, und ein Großteil der Folge macht sich über die Bereitschaft von US-Marken lustig, sich an die chinesischen Zensurvorschriften zu halten, um Geld zu verdienen.
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