Japans Ex-Außenminister Kishida soll neuer Regierungschef werden

Japans neuer starker Mann heißt Fumio Kishida. Der 64-Jährige tritt die Nachfolge von Yoshihide Suga an – und erbt große Herausforderungen. Der als ruhig und gemäßigt geltende Kishida will Japan mit einem "neuen Kapitalismus" aus der Corona-Krise führen.

Der frühere Außenminister Fumio Kishida soll neuer Regierungschef Japans werden. Die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) wählte den 64-Jährigen am Mittwoch zu ihrem neuen Parteichef. Wegen der Mehrheit der Partei im maßgeblichen Unterhaus des nationalen Parlaments gilt die Wahl Kashidas zum Ministerpräsidenten voraussichtlich am 4. Oktober als Formsache. Er tritt die Nachfolge von Yoshihide Suga an, der wegen schlechter Umfragewerte nach nur einem Jahr das Handtuch geworfen hatte. Im vergangenen Jahr war Kishida Suga noch unterlegen gewesen.

Kishida setzte sich in einer Stichwahl mit der Unterstützung der älteren Abgeordneten der Partei gegen Ex-Außenminister und Reformer Tarō Kōno durch. Ihm fehlt zwar das Charisma des in der Bevölkerung und bei der Parteibasis beliebten Kōno. Doch wollten die konservativen Schwergewichte unter den LDP-Abgeordneten offensichtlich Stabilität statt von Kōno angestrebte Veränderungen.

Der als ruhig und moderat geltende Kishida muss nun schnell das angeschlagene Image der seit Jahrzehnten fast ununterbrochen regierenden Partei verbessern. Bereits im November steht die Unterhauswahl an. Unter seinem Vorgänger Suga, der wegen seiner Corona-Politik und seines Durchboxens der Olympischen Sommerspiele in Tokio in der Kritik stand, waren die Umfragewerte stark gesunken.

Kishida kündigte gleich nach seinem Sieg ein milliardenschweres Konjunkturpaket bis Jahresende an, um die coronageplagte Wirtschaft zu stützen. Er werde alles geben, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Außen- und sicherheitspolitisch erwarten Beobachter keine größeren Änderungen. Der aus Hiroshima stammende Kishida gilt als gemäßigt. Zuletzt vermittelte er jedoch den Eindruck, er sei ein sicherheitspolitischer "Falke", wohl um sich die Unterstützung vom Kreis um den rechtskonservativen Ex-Premier Shinzō Abe zu sichern.

Der wie Abe aus einer Politikerdynastie stammende Kishida will Japans Verteidigungskapazitäten ausbauen und das Militärbudget weiter aufstocken. Er unterstützt so wie schon seine Vorgänger die enge Sicherheitsallianz mit der Schutzmacht USA. Zugleich will er auch mit anderen demokratischen Partnerstaaten in Europa und Asien einen Gegenpol zum wachsenden Machtstreben Chinas schaffen.

Wirtschaftspolitisch will Kishida einen "neuen Kapitalismus", um die durch die COVID-19-Pandemie noch verschärften Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich zu verringern. Er steht zugleich so wie Ex-Premier Abe, unter dem er Außenminister war, der Nippon Kaigi (zu Deutsch: Japankonferenz) nahe, einer stark nationalistischen Lobbyorganisation. Er ist wie Abe ein Befürworter der Atomenergie. Kishida will saubere Energietechnologien fördern, um mit Klimaschutzmaßnahmen für neue Wachstumsfelder zu sorgen.

Offen ist, inwieweit Kishida aus dem Schatten Abes heraustreten kann. Abe hatte mit strenger Hand für einen Rechtsruck in Japan und seiner Partei gesorgt. Er war von einem sentimentalen Nationalismus getrieben und wollte Japan wieder zu einem stolzen Land machen. Abe war auch für sein inniges Verhältnis zum früheren US-Präsidenten Donald Trump bekannt. Seine Wirtschaftspolitik "Abenomics" bestand aus einer Mischung aus Geldschwemme, Konjunkturspritzen und dem Versprechen von Reformen. Er hat weiter großen Einfluss in der LDP.

Insgesamt waren vier Kandidaten bei der Wahl zum Partei- und Regierungschef angetreten. Neben Kishida und Kōno erstmals auch zwei Frauen: die stramm national-konservative Ex-Innenministerin Sanae Takaichi, die die nationalistischen und revisionistischen Ansichten von Ex-Premier Abe teilt und von diesem unterstützt wurde, sowie die liberalere Ex-Ministerin für die Gleichstellung der Geschlechter, Seiko Noda. Sie hatte erst in letzter Minute kandidiert.

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(rt de/dpa)