In New York konkurrieren der bisherige UN-Botschafter der gestürzten Regierung von Aung San Suu Kyi und ein dorthin entsandter Vertreter der Militärjunta um den Sitz als offizieller Vertreter Myanmars bei den Vereinten Nationen.
Der bisherige Repräsentant, Kyaw Moe Tun, hatte sich im Frühjahr von den Putschgenerälen distanziert und tritt nun für die Schattenregierung der "Nationalen Einheit" mit Duwa Lashi Las an der Spitze an. Bei der am Dienstag beginnenden Generalversammlung wird ein Beglaubigungsausschuss (credentials committee) die Mandate prüfen. Er besteht aus Vertretern von neun Ländern, u. a. China, Russland und den USA. Der Ausschuss spricht dann eine Empfehlung aus, wessen Mandat zu akzeptieren sei.
Es passiert nicht oft, dass sich der Ausschuss für eine gestürzte Regierung einsetzt, aber es kommt vor. Haiti 1992 und Sierra Leone 1997 sind zwei Beispiele. In einigen strittigen Fällen hat der Ausschuss jegliche Entscheidung zurückgestellt, wie zum Beispiel in Afghanistan 1996 und Kambodscha 1997.
Und diesmal? Sollte die Militärregierung den Sitz bei der UN-Generalversammlung einnehmen, wird befürchtet, dass sie sich in ihrem Handeln bestärkt sähe. Anti-Putsch-Aktivisten haben davor gewarnt, dass eine Entscheidung zugunsten des Militärs die Junta weiter ermutigen könnte, Gewalt gegen unbewaffnete Zivilisten anzuwenden. Kritiker entgegnen, dass eine Ernennung eines Repräsentanten der Schattenregierung bei der UNO das Militär in die Isolation treiben könnte, was eine humanitäre Hilfsaktion erschwere. Den Sitz leer zu lassen, könnte wiederum die Chance für eine politische Lösung untergraben.
Laut Catherine Renshaw, einer Professorin an der School of Law der Western Sydney University, steht die Generalversammlung der UNO an der Seite der demokratisch gewählten Regierung von Myanmar. Im Juni 2021 verabschiedete sie eine Resolution, in der die Streitkräfte Myanmars aufgefordert wurden, den Willen der Bevölkerung zu respektieren – so, wie er bei den Wahlen vom 8. November 2020 frei zum Ausdruck gekommen war –, und in der alle Länder aufgefordert wurden, den Waffenhandel mit Myanmar einzustellen. Die Resolution ist nicht bindend, aber bedeutsam, so Renshaw, denn die UNO-Generalversammlung verurteile Putsche nur sehr selten.
Der Prüfungsausschuss der Vereinten Nationen, der auch die Vertretung Afghanistans nach der Rückkehr der Taliban prüfen wird, könnte eine Entscheidung zurückstellen. Dies würde entweder einen freien Sitz bedeuten oder es dem derzeitigen Botschafter Kyaw Moe Tun ermöglichen, Myanmar weiterhin bei den Vereinten Nationen zu repräsentieren.
Der seit Februar andauernde Konflikt in Myanmar hat inzwischen 175.000 Menschen vertrieben. Die Wirtschaft ist kollabiert und das Gesundheitssystem in der Krise. Laut Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation Myanmars (AAPP) sind inzwischen 1.080 Menschen seit Beginn des Putsches umgekommen und mehr als 6.000 festgenommen, angeklagt bzw. verurteilt.
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