Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich nach dem Scheitern in Afghanistan für eine Korrektur der Außenpolitik des Westens ausgesprochen. "Eines ist klar: Man kann eine Demokratie nicht von außen aufzwingen, man kann eine Regierung nicht von außen aufzwingen", sagte Macron gegenüber dem Fernsehkanal TF1 am Sonntag.
"Wenn wir intervenieren, müssen wir dies an der Seite eines souveränen Staates tun. Ein souveräner Staat lässt sich nicht mit Waffengewalt schaffen."
Davon zeugten die Ereignisse im Irak, in Libyen und in Afghanistan, sagte Macron. Man könne nicht erwarten, dass sich eine Demokratie mithilfe von Waffen innerhalb weniger Monaten oder Jahre erzeugen lässt.
Macron zufolge sei Demokratie "das Ergebnis eines langen Prozesses", "die Manifestation des Willens des Volkes". Sie entstehe "als Ergebnis der Geschichte" eines Volkes und "seiner Fähigkeit, aus seiner Mitte Führer hervorzubringen".
Mit seinen Äußerungen gegenüber TF1 zur Niederlage des Westens in Afghanistan knüpfte Macron thematisch an die irakische "Konferenz der Nachbarstaaten" in Bagdad an, an der er am Sonntag teilgenommen hatte.
Auf der Konferenz hatte der französische Präsident der irakischen Regierung zugesichert, das Land im Kampf gegen den Terror so lange zu unterstützen, wie es in Bagdad erwünscht sei. Im Interview mit TF1 bekräftigte Macron die Unabhängigkeit der militärischen Möglichkeiten Frankreichs von den USA.
Afghanische Institutionen sind anders als die europäischen
Im Eingeständnis Macrons, dass es unmöglich war, Afghanistan die Demokratie aufzuzwingen, erkennt der russische Politologe Andrej Kortunow eine Änderung der Einstellung in Europa. Die Einflussmöglichkeiten des Westens auf die Entwicklung der Welt würden überdacht. Man sehe, dass die westlichen Modelle doch nicht universal seien.
"Die westlichen Modelle haben ihre Grenzen und Unzulänglichkeiten, vor allem, wenn man versucht, sie auf Gesellschaften anzuwenden, die für diese Modelle nicht bereit sind."
Trotzdem werde der Westen auch in Zukunft seine Versuche des Demokratieexports nicht fallen lassen. Nach wie vor hält man die Demokratie für das aktuellste und aussichtsreichste aller Gesellschaftsmodelle. Kortunow erwartet daher, dass der Westen lediglich seine Vorgehensweise anpassen wird.
Die Äußerungen des französischen Staatschefs zur Zukunft westlicher Interventionen kritisierte Kortunow als tendenziell rassistisch. Macron spreche den Afghanen grundsätzlich die Fähigkeit ab, sich aus eigenen Kräften staatlich zu organisieren.
"In Wirklichkeit haben die Afghanen ihre eigenen Institutionen, sie unterscheiden sich einfach von den europäischen. Wenn man sie nicht daran hindert, werden sie Wege finden, die Staatlichkeit so zu erhalten, wie es für sie am besten passt."
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