Ein republikanischer US-Senator hat mit seiner Behauptung, in Taiwan seien aktuell 30.000 US-Soldaten stationiert, nicht nur im Internet für Verwirrung und Irritation gesorgt.
Die staatsnahe Pekinger Zeitung Global Times reagierte ebenfalls und sprach von einer "Kriegserklärung an China", sollte die Behauptung wahr sein. Die Global Times warnte unter Berufung auf chinesische Experten angesichts dieser möglichen Enthüllung des US-Politikers:
"Sollte der Tweet zutreffen, handelt es sich um eine militärische Invasion und Besetzung von Chinas Taiwan und kommt einer Kriegserklärung der USA an China gleich. China könnte sofort sein Anti-Sezessionsgesetz aktivieren, um die US-Truppen in Taiwan zu zerstören und zu vertreiben und Taiwan militärisch wiederzuvereinigen."
Cornyn hatte in dem mittlerweile gelöschten, jedoch im Artikel abfotografierten Tweet geschrieben:
US-Truppen heute in: Südkorea – 28.000 Deutschland – 35.486 Japan – 50.000 Taiwan – 30.000 Afrika – 7.000 Afghanistan (vor ein oder zwei Monaten) – 2.500 – Senator John Cornyn (@JohnCornyn) August 16, 2021
Während der Republikaner mit der Bemerkung, dass sich "vor ein oder zwei Monaten" nur 2.500 US-Soldaten in Afghanistan befunden hätten, offenbar andeuten wollte, dass eine kleine US-Präsenz die Stabilität in dem vom Krieg zerrissenen Land aufrechterhalten hätte, reagierten viele Nutzer mit Fragen und Korrekturangeboten auf die Behauptung bezüglich der US-Truppen in Taiwan: "Wie kommt es, dass die USA immer noch Truppen in Taiwan haben?", "Die US-Armee hat also eine geheime Division in Taiwan", "Cornyn muss sich in der Zahl geirrt haben" und "Das müsste vor 1979 gewesen sein". Peking und Washington nahmen im Jahr 1979 diplomatische Beziehungen unter der Bedingung auf, dass die USA ihr Militär von der Insel abzieht.
Doch vor allem in Peking läuteten bei einigen die Alarmglocken. Hu Xijin, Chefredakteur der Global Times, forderte direkt per Twitter eine Erklärung von den US-amerikanischen und taiwanesischen Behörden:
"Wenn es stimmt, dass die USA 30.000 oder weniger Soldaten auf der Insel Taiwan stationiert haben, werden die chinesischen Streitkräfte sofort einen Krieg beginnen, um die US-Soldaten zu eliminieren und zu vertreiben", schrieb Hu und teilte ein Bild von Cornyns Tweet.
Das Verteidigungsministerium der taiwanesischen Insel dementierte den Tweet am Dienstag mit den Worten, er sei falsch und werde nicht kommentiert, berichtete das taiwanesische Medienunternehmen SETN.com. Die taiwanesische Oppositionspartei Kuomintang (KMT) verwies den republikanischen Senator darauf, dass die letzten US-Truppen den Inselstaat am 3. Mai 1979 verlassen hatten.
Andere Kommentatoren waren viel mehr über die Unwissenheit sowie die falsche und fahrlässige Behauptung von Cornyn schockiert, der sich als Mitglied des Geheimdienstausschusses des US-Senats sowohl über die korrekten Zahlen von US-Soldaten im Ausland als auch die Folgen einer Behauptung dazu im Klaren sein müsste.
Als hochrangiger Senator für Texas, der einst republikanischer Mehrheitsführer im 114. und 115. Kongress war und nun Mitglied des Geheimdienstausschusses des US-Senats ist, sollte Cornyn über die militärischen Geheimdienste der US-Regierung informiert sein, hieß es bei der Global Times, wo auch ein Professor am Institut für Internationale Beziehungen der Chinesischen Universität für Auswärtige Angelegenheiten, Li Haidong, zitiert wurde, solche lächerlichen und schockierenden Nachrichten seien eher auf das hohe Alter des Senators zurückzuführen, das ihn zu einem Dummkopf macht, oder darauf, dass er die Daten mit früheren Daten aus den 1970er oder 1960er Jahren verwechselt. Aber man müsse zugeben, dass es auch einige US-Senatoren gäbe, die Daten fälschen, um ihre politische Karriere zu fördern. Ob es sich nun um einen Irrtum oder einen Hype handele, dem US-Politiker mangele es an politischem Feingefühl und er äußere sich unverantwortlich in der Öffentlichkeit, was Li demnach als erschütternd einstuft.
Den chinesischen Militärexperten und Fernsehkommentatoren Song Zhongping zitierte die Global Times nach Cornyns Behauptung mit den Worten: "Ich würde nicht glauben, dass dies wirklich der Fall ist." Demnach könnten die USA nicht 30.000 Soldaten und deren Ausrüstung auf der Insel verstecken, auch sei es ein zu hohes Risiko.
Der US-amerikanische TV-Moderator Mehdi Hasan fragte auf Twitter, ob die zahlreichen Nutzer, die sich über die Demokratin Rashida Tlaib empört hatten, weil sie "Taliban" mit "Mudschahedin" verwechselt hatte, auch etwas über die Vorstellung des Republikaners sagen wollten, dass 30.000 US-Truppen in Taiwan stationiert seien. Charlotte Clymer, Armee-Veteranin und Autorin aus Texas, erklärte per Twitter, dass seit über vier Jahrzehnten keine US-Truppen mehr in Taiwan stationiert sind, dieser Mann aber Mitglied des Geheimdienstausschusses des US-Senats ist. "Außerdem: Afrika ist kein Land", fügte sie hinzu. Auch politische Kommentatoren meldeten sich zu dem Tweet von Cornyn.
Der Politikwissenschaftler Seth Masket fragte, ob Cornyn sich auf das US-Verteidigungskommando für Taiwan beziehe, das vor vier Jahrzehnten aufgelöst wurde.
Andere unterstellten Cornyn, er habe nach US-Truppen in Taiwan gegoogelt, aber nur halbherzig. Eine Person, die Bilder aus einer Google-Suche teilte, forderte den Senator auf, bei Wikipedia auch auf den Artikel zu klicken, um den gesamten Text zu lesen.
Der amerikanische Autor und Pastor John Pavlovitz kommentierte, Cornyn sei "schlecht darin," während der Analyst und Professor für Internationale Beziehungen Robert E. Kelly gar die Amtstauglichkeit des Senators anzuzweifeln schien:
"30.000 Soldaten in Taiwan... Meine Güte. Alter, geh in Rente."
Der Global-Times-Chefredakteur ging auf die Reaktionen ein, wonach der US-Senator die Zahlen verwechselt haben müsse und schrieb, er gehe nicht davon aus, dass der Senator sich geirrt habe, sondern Cornyn wolle die chinesische Reaktion testen. "Meine Antwort an ihn ist Krieg", so Hu Xijin noch am Dienstag.
Am gleichen Tag führte das chinesische Militär in der Nähe von Taiwan Angriffsübungen durch. Kriegsschiffe und Kampfjets übten vor dem Südwesten und Südosten der Insel, was die Streitkräfte des Landes als eine Reaktion auf "Einmischung von außen" und "Provokationen" bezeichneten.
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