Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace hat erklärt, dass sein Land bereit sei, mit den islamistischen Taliban zusammenzuarbeiten, sollten diese sich an der Regierung beteiligen. Wallace tätigte die Aussage am Dienstag in einem Interview mit der britischen Zeitung Daily Telegraph. Die Zeitung zitierte ihn wie folgt:
"Wie auch immer die aktuelle Regierung aussieht, die britische Regierung wird mit ihr zusammenarbeiten, sofern sie sich an bestimmte internationale Normen hält."
London werde jedoch die Beziehung neu bewerten, sollten die Taliban gravierende Menschenrechtsverletzungen begehen. Wallace gab zu, dass die Idee einer Zusammenarbeit mit den Taliban unbeliebt ist.
"Was (die Taliban) verzweifelt wollen, ist internationale Anerkennung. Sie müssen Finanzierung und Unterstützung (für) den Aufbau einer Nation freischalten, und das tut man nicht mit einer terroristischen Sturmhaube auf dem Kopf."
Die Taliban müssten ein "Partner des Friedens" werden, sonst würden sie riskieren, sich zu isolieren. Der britische Verteidigungsminister rief die Taliban und den afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani dazu auf, zusammenzuarbeiten, um das Land nach Jahrzehnten des Konflikts zu stabilisieren.
Derweil erklärten die Taliban am Mittwoch, dass ihre Kämpfer die Kontrolle über einen wichtigen Grenzübergang nach Pakistan im südlichen Teil des Landes übernommen hätten, wie die Nachrichtenagentur Reuters vermeldete. Einige Stunden zuvor hätten Regierungstruppen, die den Übergang verteidigten, sich ergeben. Die afghanische Regierung äußerte sich zunächst nicht zu den Behauptungen.
Der Übergang ist eine wichtige Handelsverbindung ins Nachbarland. Offiziellen Statistiken zufolge überqueren jeden Tag 900 Lkws den Grenzübergang. Er verbindet Pakistan mit Afghanistan sowie weiteren Staaten in der Region. Der Vorsitzende der afghanischen Handelskammer erklärte gegenüber Reuters, dass die Einkommen aus Zollabgaben nun den Taliban zukommen.
Parallel zum Truppenabzug der Vereinigten Staaten verstärkte die militante Gruppe laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zuletzt ihre Aktivitäten zur Eroberung weiterer Gebiete. Regierungstruppen starteten eine Gegenkampagne, um den Taliban-Vorstoß abzuwehren.
Derzeit gibt es besonders heftige Kämpfe um die Stadt Kandahar, Hauptstadt der gleichnamigen südlichen Provinz, die Stadt Taloqan, Hauptstadt der nördlichen Provinz Tachar, die Stadt Kundus im Norden des Landes sowie Qala-i-Naw, Hauptstadt der westlichen Provinz Badghis.
In der ehemaligen Taliban-Hochburg Kandahar sagten Beamte am Dienstag, dass in den vergangenen 24 Stunden Dutzende von Menschen, zumeist Zivilisten, getötet und verletzt worden seien. Darunter sollen sich auch Frauen und Kinder befunden haben.
Ein afghanischer Armeeoffizier erklärte am Dienstag, dass die Offensive der Taliban auf Toqan erfolgreich abgewehrt worden sei. Die angreifenden Kämpfer hätten sich zurückgezogen.
In den vergangenen 24 Stunden fielen weitere drei Bezirke unter die Kontrolle der Taliban. Ein Bezirk wurde allerdings später von den afghanischen Sicherheitskräften zurückerobert.
Ein weiterer Fokus der Taliban-Offensive ist die Stadt Ghazni. Durch die Stadt führt eine wichtige Fernstraße, die die Landeshauptstadt Kabul mit der Stadt Kandahar im Süden und der westlichen Provinz Herat verbindet.
Laut eigenen Angaben kontrollieren die von den USA und NATO fast zwanzig Jahre lang bekämpften Taliban derzeit 85 Prozent des Landes, überwiegend in ländlichen Gebieten.
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