Erdoğans Besuch in Bergkarabach: Türkei baut Einfluss im Kaukasus aus

Der türkische Präsident ist der erste ausländische Staatschef, der Bergkarabach seit dem Ende des Krieges im vergangenen Jahr am 15. Juni besucht hatte. Das armenische Außenministerium verurteilte Erdoğans Besuch mittlerweile aufs Schärfste.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan war zu einem zweitägigen Besuch in Aserbaidschan. Gemeinsam mit seinem aserbaidschanischen Amtskollegen Ilcham Alijew reiste er in die Konfliktregion Bergkarabach, und zwar nach Schuscha, in eine Stadt, die Aserbaidschan im letzten Herbst im Krieg um Bergkarabach von Armenien erobert hatte. Schuscha gilt als kulturelle Hauptstadt der Region und war bislang der Schwerpunkt der Wiederaufbaubemühungen in Bergkarabach. Die beiden Staatschefs unterzeichneten dort am 15. Juni eine Deklaration zur Vertiefung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen, wonach beide Länder auch offiziell fortan Verbündete sind.

Alijew sagte der Presse diesbezüglich, dass Türkei und Aserbaidschan eine qualitativ neue Beziehung aufgebaut hätten und alle Bestimmungen dieser Erklärung ein Garant für unsere zukünftige Zusammenarbeit seien. Der Präsident Aserbaidschans fügte hinzu, das Abkommen sei der bedeutendste Vertrag seit dem Vertrag von Kars von 1921, der seinerzeit den Grenzverlauf zwischen der Türkei und den drei kaukasischen Sowjetrepubliken geregelt hatte.

Erdoğan kündigte an, die Türkei werde ein Konsulat in Schuscha eröffnen, und beide Länder würden in nahen Zukunft gemeinsame Kampfdrohnen produzieren. "Wir ergreifen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Besetzung des historischen Territoriums Aserbaidschans nicht noch einmal passiert", sagte er auf der Pressekonferenz. Erdoğan forderte zudem die Einrichtung einer "regionalen Plattform", die neben Aserbaidschan und der Türkei auch Russland, den Iran, Georgien und Armenien umfassen soll. "Wir hoffen, dass Armenien diese solidarisch ausgestreckte Hand ergreifen und die Gelegenheit nutzen wird, untereinander eine gemeinsame Zukunft zu gestalten", fügte der türkische Präsident hinzu.

Das armenische Außenministerium verurteilte Erdoğans Besuch in Schuscha derweil aufs Schärfste. Es sei "eine direkte Provokation gegen den Frieden und die Sicherheit in der Region", hieß er in der Erklärung.

Die Türkei hatte Aserbaidschan im Krieg um Bergkarabach im vergangenen Herbst militärisch unterstützt, auch durch den Einsatz von Kampf- und Aufklärungsdrohnen. Die militärische Kooperation zwischen beiden Ländern besteht seit den 1990er-Jahren. Für die Türkei ist die Partnerschaft mit Aserbaidschan Ausdruck einer regionalen Machtpolitik, mit der Ankara seine Interessen in der Kaukasusregion durchsetzen will.

Die Situation in Bergkarabach bleibt weiterhin angespannt – mindestens bis nach den Parlamentswahlen in Armenien am 20. Juni, schätzen Experten in der Region. Aserbaidschan übergab vor Kurzem 15 Kriegsgefangene an Armenien, im Gegenzug händigte Armenien Landkarten aus, auf denen Minenfelder in der Konfliktregion verzeichnet sind. Nach Schätzungen handelt es sich um fast 100.000 Panzerabwehr- und Antipersonenminen. Armenien und Aserbaidschan streiten seit Jahren um die armenische Exklave Bergkarabach.

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