Am Dienstag hat die Facebook-Tochter Whatsapp beim Obersten Gerichtshof in Delhi eine Klage gegen die indische Regierung wegen der neuen Regulierungen von Social-Media-Plattformen eingereicht. In der Klage argumentiert das Unternehmen, die neuen Vorgaben, nach denen Technologieunternehmen Informationen über die Absender privater Nachrichten bereitstellen müssen, würden die verfassungsmäßigen Datenschutzrechte der Einwohner Indiens verletzen. Dieser Ansatz zur Regulierung sozialer Medien werde eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Nachrichten unmöglich machen und die Voraussetzungen für eine "neue Form der Massenüberwachung" schaffen, hieß es seitens WhatsApp.
Laut dem neuen Gesetz soll der Messenger Nutzer preisgeben, die glaubwürdig eines Fehlverhaltens beschuldigt werden. Das Unternehmen weist hingegen darauf hin, dass dies in der Praxis nicht umsetzbar sei. Da die Nachrichten in der App durchgehend vollständig verschlüsselt seien, würde die Umsetzung der Regelung die Verschlüsselung des Informations- und Datenverkehrs sowohl für Empfänger als auch Absender unmöglich machen.
Zudem sehen die neuen Regeln vor, dass die Social-Media-Plattformen Mechanismen zur Behandlung von Beschwerden der Nutzer einrichten und Vertreter ernennen, die für die Zusammenarbeit der Unternehmen mit den örtlichen Strafverfolgungsbehörden verantwortlich sind. Die Plattformen sind außerdem verpflichtet, die Identität der Autoren betreffender Posts auf Anforderung der Behörden offenzulegen und die rechtswidrigen Beiträge binnen 36 Stunden nach der Anfrage zu löschen. Das Verfahren zur Löschung pornografischer Beiträge muss automatisiert werden. Dem indischen Informationstechnologieminister Ravi Shankar Prasad zufolge müssen die Internetunternehmen "verantwortungsbewusster und rechenschaftspflichtiger" sein.
Die WhatsApp-Klage ist eine neue Runde im Kampf zwischen der indischen Regierung unter Ministerpräsident Narendra Modi und den Tech-Konzernen einschließlich Google, Facebook und Twitter. Im Februar bezichtigte Indien die Internetunternehmen der Doppelmoral, als Twitter sich weigerte, Beiträge über Bauernproteste gegen die Agrarreform in Indien zu löschen, die indische Behörden zu einer Desinformationskampagne erklärt hatten. Der indische Informationstechnologieminister verwies darauf, dass das soziale Netzwerk die Aktivitäten bei der Auflösung von Demonstrationen in Indien und in den USA sehr unterschiedlich behandelt. Während man die Handlungen der Polizei bei der Besetzung des Kapitols im Januar 2021 vorbehaltlos unterstütze, werde Indien wegen Polizeigewalt angeprangert, so der Politiker.
Im Januar 2021 kündigte WhatsApp an, dass Nutzerdaten laut der neuen Nutzungsvereinbarung an Facebook übermittelt werden dürfen. Anwendern, die die neuen Regeln vor dem 8. Februar nicht akzeptiert haben, steht die App nicht mehr zur Verfügung.
Mit der Klage beim Obersten Gerichtshof will die indische Regierung ein Verbot der neuen Nutzerrichtlinien erwirken. Zudem beschuldigt die indische Regierung das Unternehmen, unterschiedliche Regelungen für Nutzer in Indien und in Europa in Planung zu haben.
Im März drohte die indische Regierung den Tech-Konzernen mit Haftstrafen für die Mitarbeiter und forderte die Löschung von Posts, die die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung im Land gefährden könnten. Die Unternehmen stimmten den Forderungen zu, um die Inhaftierungen der indischen Mitarbeiter zu vermeiden. Rund einen Monat später forderte Indien die Social-Media-Plattformen auf, Desinformationen über die COVID-19-Pandemie im Land zu löschen. Nach Angaben der indischen Regierung untergraben kritische Posts in sozialen Netzwerken das Vertrauen der Bürger in die Maßnahmen der Behörden zur Bekämpfung des Coronavirus.
Gleichzeitig bleibt Indien der größte Markt für WhatsApp. Regierungsstatistiken zufolge nutzen in dem Land rund 530 Millionen Menschen den Messenger.
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