Andrei Kortunow, der seit 2011 Generaldirektor des Russian International Affairs Council (RIAC) ist, geht in einem Gastbetrag beim iranischen Staatsender Press TV der Frage nach, inwieweit Russland und Iran von einer strategischen Partnerschaft entfernt sind. Dabei untersucht er, was die Partnerschaft als solche in der internationalen Beziehung bedeutet und befasst sich mit den Herausforderungen zur Vertiefung der Beziehungen zwischen Iran und Russland.
Staaten sollten zum Aufbau einer strategischen Partnerschaft "ein breites Spektrum langfristiger gemeinsamer Interessen" haben. Dabei gehe es um Interessen, die nicht von den "aktuellen politischen Situationen" oder von den "Handlungen Dritter" abhängen.
"Einen gemeinsamen Feind zu haben oder ähnliche außenpolitische Herausforderung zu haben, reicht für eine strategische Partnerschaft nicht aus. Außenpolitische Probleme kommen und gehen, und ein einmaliger Feind könnte in Zukunft auch ein Verbündeter werden."
Zur strategischen Partnerschaft bräuchten die beiden Parteien gemeinsame strategische Ziele, die sie nur durch "nachhaltige gemeinsame Anstrengungen" erreichen könnten. Dies unterscheidet eine strategische Partnerschaft von einer "taktischen Allianz". Die beiden Seiten benötigten für eine strategische Partnerschaft einen "gut entwickelten rechtlichen Rahmen" für ihre Interaktion sowie "wirksame Mechanismen für die Zusammenarbeit" in verschiedenen Bereichen, um damit eine langfristige Partnerschaft zu etablieren.
"Haben wir diese Voraussetzungen in den russisch-iranischen Beziehungen erfüllt? Leider nicht. Bestenfalls können wir argumentieren, dass beide Seiten erste Grundlagen für eine strategische Partnerschaft geschaffen haben, die irgendwann in der Zukunft entstehen soll."
Aus Sicht der russischen Politik haben Russland und Iran, so Kortunow, gemeinsame Interessen, um der hegemonialen Politik der USA auf der ganzen Welt und insbesondere im Nahen Osten entgegenzuwirken. Dem sei hinzufügen, dass Russland und Iran in ihren gemeinsamen Nachbarschaften von Afghanistan bis Syrien vor gemeinsamen Herausforderungen bei der Bekämpfung des politischen Radikalismus, nämlich dem Islamismus, ständen. "Das heißt, die Russen messen den Fragen der Sicherheit und der Geopolitik Vorrang bei."
Russland und Iran konkurrierten direkt oder indirekt auf den globalen Kohlenwasserstoffmärkten. Moskau und Teheran könnten in vielen regionalen Fragen keine identischen Standpunkte vertreten, selbst in Syrien. Iran sei ein schiitisches Land, während die meisten russischen Muslime sunnitische Muslime seien.
Viele Erfolge der Interaktion zwischen Russland und Iran seien trotz ihrer bilateralen Zusammenarbeit weitgehend durch die gegebene Situation bedingt gewesen. In den letzten dreißig Jahren habe sich diese Zusammenarbeit hauptsächlich auf mehr oder weniger erfolgreiche "parallele Reaktionen der beiden Länder auf aufkommende geopolitische Herausforderungen" beschränkt. Diese Probleme seien zahlreich und vielfältig gewesen: der Bürgerkrieg in Tadschikistan, die Intervention der USA und ihrer Verbündeten im Irak, der Arabische Frühling, die Konflikte in Syrien und im Jemen. Russischen und iranischen Diplomaten sei es allerdings in der Regel gelungen, "geeignete und für beide Seiten akzeptable Ansätze für äußerst komplizierte regionale Probleme" zu finden.
"Eine rechtzeitige Interaktion in Krisen schafft jedoch keine strategische Partnerschaft. Eine weitere Anforderung sind gemeinsame strategische Ziele. Das heißt, die Konzipierung eines langfristigen konstruktiven Aktionsprogramms, das Krisen vorwegnimmt und nicht nur auf sie reagiert."
Die Ausarbeitung gemeinsamer russisch-iranischer Vorschläge zur Schaffung eines kollektiven regionalen Sicherheitssystems am Persischen Golf könnte ein vielversprechender Schritt in diese Richtung sein. Die Region "Großraum Zentralasien" könnte ein weiterer Bereich für langfristige gemeinsame Initiativen werden, so Kortunow.
Russland und Iran folgten in ihren Wirtschaftsbeziehungen dem "Weg des geringsten Widerstands" und beschränkten sich auf einzelne große "Showcase-Projekte", die mit aktiver staatlicher Unterstützung wie dem Kernkraftwerk Buschehr und militärtechnischer Zusammenarbeit durchgeführt würden. Bereits 2007 hätten die Parteien große Pläne zur Steigerung des jährlichen Handelsumsatzes auf 200 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren in Zusammenarbeit mit den Bereichen Energie, Transport, Medizin, Biotechnologie, Metallurgie, Weltraumforschung usw. ins Auge gefasst. "Die meisten dieser Pläne bleiben jedoch nur auf dem Papier."
Die Geschichte der bilateralen Beziehungen zwischen Russland und Iran haben, so Kortunow, verschiedene Seiten, und es wäre wahrscheinlich falsch zu behaupten, dass alte Missstände, Stereotypen und Vorurteile, die sich über Jahrhunderte hinweg bildeten, keinen Einfluss auf die öffentliche Stimmung haben. Auch in den letzten Jahren seien diese Misstrauen zu beobachten: "Im Sommer 2010 beispielsweise, als Russland die Lieferung von S-300-Raketensystemen nach Iran verschob." Nach dieser Entscheidung seien viele iranische Konservative zu dem Schluss gekommen, dass Moskau Teheran nur als "Trumpfkarte für sein größeres Spiel mit dem Westen" angesehen habe. Im iranischen Reformlager werde Russland oft als eine "altertümliche und nicht weit entwickelte Macht" betrachtet, die Iran nichts Substanzielles anbieten könne.
Aus dieser Darlegung der Beziehungen zwischen Russland und Iran zieht der Autor die Schlussfolgerung, dass die Beziehungen zwischen Moskau und Teheran viele positive Elemente beinhalten, die jedoch noch nicht das Niveau einer strategischen Partnerschaft erreicht haben. Die Partnerschaft als solche werde kaum zustande kommen, ohne beharrliche Anstrengungen auf beiden Seiten, um sich für eine langfristige Partnerschaft aktiv einzusetzen.
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