Nach Tanker-Beschlagnahmung durch Iran – Südkorea entsendet Zerstörer in den Persischen Golf

Nachdem Iran im Persischen Golf einen südkoreanischen Tanker beschlagnahmte, entsendet Südkorea den Zerstörer seiner Anti-Piraten-Einheit dorthin. Iran fordert seit Längerem die Freigabe seiner in Südkorea wegen US-Sanktionen eingefrorenen Milliarden-Guthaben.

Südkorea entsandte einen Zerstörer (Choi Young DDH-981 der Yi Sun-sin-Klasse) der Anti-Piraten-Einheit aus dem Golf von Aden zur Straße von Hormus. Er sei bereits mit seiner 300-köpfigen Besatzung, die auf den Kampf gegen Piraterie spezialisiert ist, in den Gewässern an der Straße von Hormus eingetroffen, teilte das Verteidigungsministerium in Seoul am 5. Januar mit. 

Die Iranische Revolutionsgarde beschlagnahmte am 4. Januar in der Golfregion einen unter südkoreanischer Flagge fahrenden Tanker (Hankuk Chemi). Er soll auf dem Weg von Saudi-Arabien nach Fudschaira in den Vereinigten Arabischen Emiraten gewesen sein. Der Tanker habe mit seiner Ethanol-Ladung die Gewässer im Persischen Golf verschmutzt und sei daher von der Küstenwache der Iranischen Revolutionsgarde in die Hafenstadt Bandar Abbas geleitet worden, teilte bereits die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte mit. Südkorea verkündete, dass das Land eine Delegation am 6. Januar nach Teheran entsandt habe, um in bilateralen Verhandlungen die Freigabe des Tankers samt der 20 Besatzungsmitglieder zu erreichen.

Südkorea bestellte zudem kürzlich den iranischen Botschafter ein. Der Leiter des Büros für Afrika und den Nahen Osten, Koh Kyung-sok, äußerte bei dem Treffen mit dem iranischen Botschafter in Seoul sein Bedauern über den Zwischenfall und forderte eine baldige Freigabe des Schiffes sowie die Freilassung der Besatzungsmitglieder.

Die iranische Aktion zielte womöglich darauf ab, die Führung in Südkorea dazu zu bewegen, iranische Gelder im Wert von 7 Milliarden Dollar freizugeben, die bereits seit Ende 2019 in Südkorea auf der Grundlage von US-Sanktionen eingefroren sind. Die Asia Times kommentierte, es bleibe fraglich, ob es in Teheran zwei unterschiedliche Linien zwischen der Iranischen Revolutionsgarde und der Regierung in der Frage nach der Freigabe von eingefrorenen Geldern gebe, da Verhandlungen zwischen Iran und Südkorea in dieser Angelegenheit unmittelbar bevorgestanden hätten, oder ob beide Organe sich darüber im Vorfeld dieses Schrittes abgestimmt hätten.  

Der Zeitpunkt der Aktion der Revolutionsgarde scheint bei einigen Iran-Experten fragwürdig zu sein. Am 3. Januar, ein Tag vor der Festsetzung des südkoreanischen Öltanker, berichtete die Tehran Times von den bevorstehenden iranisch-südkoreanischen Verhandlungen über in Südkorea eingefrorene iranische Guthaben. Der Chef der Gemeinsamen Handelskammer von Iran und Südkorea in Teheran erklärte noch am 3. Januar, dass die Islamische Republik sei dabei, mit Südkorea zu verhandeln, um die iranische eingefrorene Öleinnahmen bei südkoreanischen Banken gegen COVID-19-Impfstoff und andere Waren auszutauschen. "Wenn wir uns die Geschichte Irans ansehen, hat es immer einen Konflikt zwischen den Revolutionsgarden und der Regierung gegeben", sagte Kim Hyuck, Professor für persische und iranische Studien an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul.

Dabei ist dennoch anzumerken, dass Iran in den letzten Jahren nicht so sehr von den diplomatischen Verhandlungen profitiert hatte. Dem Atomabkommen mit Iran 2015 folgten der US-Ausstieg 2018 aus dem Atomdeal und die US-Politik des maximalen Druckes auf das Land. Großbritannien hatte zudem im Sommer 2019 die mit iranischem Erdöl beladene "Grace 1" vor Gibraltar mit der Begründung festgesetzt, dass sie im Verstoß gegen EU-Sanktionen Erdöl nach Syrien transportieren wolle. 

Zwei Wochen nach der Festsetzung der "Grace 1" setzte Iran im Persischen Golf ein britisches Schiff fest, da die Verhandlungen mit Briten bis dahin keine Aussicht auf Erfolg hatten. Nach der Beschlagnahmung des britischen Schiffs im Persischen Golf durch Iran gab Großbritannien doch endlich den iranischen Öltanker wieder frei. Viele iranische Experten gehen davon aus, dass die iranische Führung in letzter Zeit mehr denn je davon überzeugt sei, nationale Interessen und Sicherheit des Landes stärker durch eine auf militärischen Fähigkeiten basierende Abschreckungspolitik als auf diplomatischem Wege erzwingen zu können.

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