Ein zwischen Russland, Armenien und Aserbaidschan unterzeichnetes Abkommen soll die Voraussetzungen für eine langfristige Beilegung der Krise im Interesse beider Völker schaffen, betonte der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag kurz nach Mitternacht Moskauer Zeit.
Gemäß dem Wortlaut des Abkommens, das am 10. November kurz nach Mitternacht Moskauer Zeit öffentlich wurde, als der Waffenstillstand in Kraft getreten war, wird Russland fast 2.000 Friedenssoldaten entlang der Kontaktlinie und am "Latschin-Korridor", der Straßenverbindung zwischen Bergkarabach und Armenien selbst, stationieren. Laut dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew sollen sich auch türkische Friedenstruppen als gemeinsame Friedensmission denen aus Russland anschließen. Er erklärte bei der feierlichen Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens:
Einer der Punkte in der heutigen Erklärung ist die gemeinsame Friedensmission von Russland und der Türkei. Damit schaffen wir ein völlig neues Format der Zusammenarbeit in der Region, nicht nur im Rahmen der Konfliktlösung, sondern auch in der zukünftigen Entwicklung.
Hierbei ist anzumerken, dass in der veröffentlichten Erklärung Wladimir Putins auf der Webseite des Kreml kein Wort über eine türkische Präsenz zu finden ist. Der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow wies darauf hin, dass in Bergkarabach nur russische Friedenstruppen eingesetzt würden. Gegenüber Reportern erklärte er:
Zur Präsenz des türkischen Militärs in Bergkarabach: Im Text der Erklärung findet sich kein einziges Wort darüber. Es wurde keine Einigung darüber erzielt. Der Aufenthalt türkischer Soldaten wurde nicht vereinbart. Die Einrichtung einer Beobachtungsstelle auf aserbaidschanischem Gebiet wurde diskutiert. Das ist in Aserbaidschan, und dies ist Gegenstand eines gesonderten Abkommens. Es handelt sich nicht um Bergkarabach.
Diese Friedenstruppen sollen im Zuge des Rückzugs der armenischen Streitkräfte einrücken und dort fünf Jahre lang bleiben. Eine automatische Verlängerung ihres Mandats um fünf Jahre ist vorgesehen, sofern keine der Parteien sechs Monate vor Ablauf des Mandats Einwände erhebt.
In den nächsten drei Jahren soll eine neue Straße durch das Gebiet von Latschin gebaut werden, die Armenien mit Stepanakert, der Hauptstadt von Bergkarabach, verbinden soll. Parallel dazu soll eine weitere Straße durch Armenien gebaut werden, um Aserbaidschan mit seiner Exklave Nachitschewan im Südwesten zu verbinden. Bis dahin werden russische Grenztruppen den bestehenden Straßenverkehr durch Armenien nach Nachitschewan überwachen.
Das Abkommen sieht auch den Austausch von Gefangenen und Toten sowie die Rückkehr "aller Flüchtlinge und Binnenvertriebenen" in das Gebiet von Bergkarabach und die umliegenden Gebiete vor, was vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) überwacht werden soll. Theoretisch würde dies die Rückkehr sowohl der ethnischen Armenier als auch der durch den Konflikt seit 1991 vertriebenen Aserbaidschaner bedeuten, obwohl unklar bleibt, wie dies in der Praxis funktionieren wird.
Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan bezeichnete den Waffenstillstand mit Aserbaidschan als "für mich persönlich und für unser Volk schmerzhaft". Er sei jedoch notwendig. Viele Menschen in Armenien sind mit dieser Entscheidung unzufrieden und empfinden diese als Verrat, da die Übereinkunft eine Abtretung einiger Gebiete durch Armenien vorsieht. In der Nacht zum Dienstag kam es in der armenischen Hauptstadt zu Unruhen. Wütende Massen stürmten das Parlament des Landes sowie einige weitere Regierungsgebäude.
Russland habe eine "besondere Rolle" bei der Beilegung des Konflikts, und seine Rolle bei weiteren Aktivitäten in der Region werde bedeutend sein, erklärte der aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew und betonte:
Das ist faktisch die militärische Kapitulation Armeniens.
Bergkarabach ist eine ethnisch armenische Enklave innerhalb der Grenzen der Sowjetrepublik Aserbaidschan, löste sich aber 1991, als die Sowjetunion zu zerfallen begann, von Baku. Durch einen Waffenstillstand von 1994 wurde der Konflikt mit den ethnisch armenischen Streitkräften, die den größten Teil von Bergkarabach sowie das umliegende Gebiet Aserbaidschans kontrollierten, eingefroren.
Ende September begannen erneute Zusammenstöße in der Region, die trotz mehrerer von Moskau arrangierter und sogar eines von den USA vermittelten Waffenstillstands fortgesetzt wurden. Verschärft wurde die Lage dadurch, dass Aserbaidschan aktive Unterstützung vom NATO-Mitglied Türkei erhielt, während Armenien Mitglied der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit ist, einem Militärbündnis mit Russland.
Die Zahl der Getöteten aufseiten Bergkarabachs war am Montag um 44 auf 1.221 gestiegen, wie die Behörden mitteilten. Baku machte wegen der Zensurbestimmungen während des Kriegszustands keine Angaben zu Verlusten bei den Streitkräften.
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