Wirtschaftsminister Robert Habeck und Agrarminister Cem Özdemir sind am Wochenende mit einer Wirtschaftsdelegation nach Südamerika gereist. Nach einem Aufenthalt in Brasilien soll es für die Grünen-Politiker weiter nach Kolumbien gehen. Vor seinem Abflug sagte Habeck, dass es darum gehe, mit der neuen brasilianischen Regierung von Präsident Lula zu prüfen, ob man das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten vollenden könne.
Özdemir sagte, dass die Bundesregierung einem Abkommen mit Mercosur nur zustimme, wenn eine nachhaltige Entwicklung verankert werde. Dazu gehöre für ihn, die Abholzung des Regenwaldes zu stoppen:
"Mehr Nachhaltigkeit und strategische Stärkung unserer Handelsbeziehungen – mit dem Mercosur-Abkommen haben wir die Chance, dass beides Hand in Hand geht. Und natürlich muss auch der hohe Schutz unserer heimischen Landwirtschaft gewährleistet bleiben."
Mercado Común del Sur: "Gemeinsamer Markt des Südens"
Im März 1991 wurde Mercosur mit dem Ziel eines gemeinsamen Wirtschaftsraums geschaffen. Gemessen an den über 260 Millionen Verbrauchern ist es eine der weltweit größten Freihandelszonen. Die Abkürzung steht für "Mercado Común del Sur", "Gemeinsamer Markt des Südens". Seit dem Jahr 1999 verhandelt die EU mit den Mercosur-Gründungsstaaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay über ein gemeinsames Freihandelsabkommen. Ein wichtiger Bestandteil des Abkommens ist der Umweltschutz.
Ende Juni 2019 wurden die Verhandlungen abgeschlossen, aber von den Parteien nicht ratifiziert. Der frühere brasilianische Präsident Bolsonaro hatte sich geweigert, Rodungen des Regenwaldes am Amazonas zu verbieten. Erst im Januar hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Reise nach Brasilien unternommen. Seit der Abwendung von Russland gewinnen die Länder Südamerikas für Deutschland als mögliche Rohstofflieferanten erneut an Bedeutung.
Kritik von Greenpeace, Foodwatch und Bauernverband
Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha warnte davor, dass das EU-Mercosur-Abkommen die Rindfleischproduktion Südamerikas verstärken könnte, was den Regenwald weiter bedrohen würde. Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann forderte sogar Neuverhandlungen. Für Deutschland bedeute das Abkommen vorrangig mehr Billigfleisch, das man für den gesättigten heimischen Markt überhaupt nicht benötige, so Cunja.
"In Berlin spricht die Bundesregierung viel davon, die Klima- und Artenkrise zu bekämpfen. In Südamerika aber will sie ein Handelsabkommen abschließen, das klima- und naturschädliche Produkte wie Rindfleisch, Pestizide und Verbrenner fördert. Das passt nicht zusammen."
Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, forderte die Bundesregierung auf, das Abkommen neu zu verhandeln:
"In der jetzigen Form ist dieses Handelsabkommen eine große Bedrohung für die deutsche und europäische Landwirtschaft. Damit würde sich die EU in neue geopolitische Abhängigkeiten begeben."
Falls sich Südamerika nicht an die Ziele zur Minderung von Pflanzenschutzmitteln und bezüglich der Tierwohlstandards halte, müsste ein sofortiger Importstopp verhängt werden, so Rukwied.
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