Von Maria Müller
Im Schatten des Aufruhrs in Peru versucht die von Keiko Fujimori geführte rechte Partei "Fuerza Popular" im Kongress ein Gesetz durchzuwinken, das für die Ureinwohner mancher Amazonasgebiete tödliche Folgen haben kann. Auch die "grüne Lunge der Welt" wird dadurch weiter zerstört. Das Gesetzesprojekt soll nun den Schutz der speziellen Bio- und Indigenen-Reservate beenden, um Energie- und Bergbauunternehmen die Ausbeutung von Ölvorkommen und wertvollen Mineralien zu erlauben.
Unberührte Indigenen-Völker, die bis heute in freiwilliger Isolation oder im "Erstkontakt" (PIACI) in den Tiefen des peruanischen Teils des Amazonaswaldes leben, sollen damit einer Reihe von Maßnahmen ausgesetzt werden, die sie zwangsweise in Kontakt mit der "Zivilisation" bringen. Sie laufen dadurch große Gefahr, mit Keimen aus dieser fremden Welt infiziert zu werden, denen ihr Immunsystem nichts entgegenzusetzen hat. Die höchsten Todesraten indigener Völker werden auch heute noch durch die aus der "Zivilisation" eingeschleppten Krankheiten verursacht.
Ethnozid an isolierten Indigenen-Völkern im Regenwald
Die geplante Änderung der bisher gültigen Normen zielt darauf ab, die in internationalen UNO-Konventionen verfassten Indigenen-Rechte auf ein geschütztes Leben in dem artenreichsten Naturgebiet der Welt infrage zu stellen. Manche Völker warten seit Jahrzehnten vergeblich auf legale Besitztitel ihrer Zonen. Sie werden die ersten Opfer von Vertreibungen aus ihren angestammten Bereichen sein. Laut der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens (COICA) würde die Gesetzesinitiative, falls sie durchkommt, direkt Ethnozid und "Völkermord" bedeuten.
Wirtschaftliche Entwicklung des Amazonas?
Keiko Fujimori, die Tochter des früheren neoliberalen Diktators Alberto F. (1990–2000), argumentiert gegen die Reservate, dass der bisherige Schutz der Gebiete "Investitionen und die Gewinnung natürlicher Ressourcen aus dem Amazonasgebiet einschränkt". Diese Gebiete stünden der wirtschaftlichen Entwicklung des Amazonas im Wege.
Der Ombudsmann Perus fordert die sofortige Archivierung des Gesetzesvorhabens.
„[Die] Änderungen, die am Gesetz 28736, Gesetz zum Schutz indigener Völker in Isolation und Erstkontakt, vorgenommen werden sollen, wirken sich auf ihr Leben und ihre Existenz aus. Seine Genehmigung ist ein Verstoß gegen die nationalen Vorschriften und die internationalen Menschenrechte".
Auch der Kulturminister, der bislang für die Reservate zuständig ist, hatte gegenüber früheren Versuchen dieser Art gewarnt: "Das würde einen gewaltigen Rückschritt bedeuten".
Nach Schätzungen gibt es rund 7.000 von der Außenwelt isolierte Indigene im peruanischen Amazonas. Sie verteilen sich auf etwa 20 Gemeinschaften. Peru gehört zu den Unterzeichnerstaaten von entsprechenden internationalen Schutzverträgen, die ihre territorialen Rechte anerkennen und jedes Eindringen in ihre Hoheitsgebiete verbieten. Diese Normen sind in der Verfassung Perus und in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (ACHR) verankert. Mit Verwaltungsänderungen will das Regime die Regeln umgehen.
Die Existenz der Amazonasvölker leugnen
Im Norden Perus, in Loreto, wo sich reiche Ölvorkommen befinden, läuft bereits eine Medienkampagne gegen die unberührten Indigenen-Gemeinschaften. Ihre Charakterisierung und damit ihre Existenz als solche wird in Zweifel gezogen. Sie werden zudem als „Hindernis“ für die wirtschaftliche Entwicklung des Amazonas stigmatisiert.
Bolsonaros Beispiel nun in Peru?
Als 2019 unter der Regierung des Ex-Präsidenten von Brasilien, Jair Bolsonaro, der Regenwald in einem nie gekannten Ausmaß abgebrannt und abgeholzt wurde, war die Welt wegen der Klimafolgen alarmiert. Die Zerstörung der "grünen Lunge der Erde" setze das Überleben der gesamten Menschheit aufs Spiel, so der Tenor der Warnungen. Immerhin verabschiedete die Europäische Union Anfang Dezember 2022 ein Importverbot für landwirtschaftliche Güter, die aus Landflächen der Raubrodungen stammen. Importfirmen müssen die Rückverfolgbarkeit durch Geolokalisierungsdaten der Ernten per Satellitenfotos nachweisen.
Entwaldung durch Ölförderung im Amazonas
Die Entwaldung des Amazonasbeckens durch das Agrobusiness hat globale Proteste ausgelöst – allen voran von den grünen Parteien. Doch die Entwaldung des Amazonas durch Öl – und Bergbaufirmen samt ihren gigantischen Verseuchungen ernteten bis heute nur das internationale Schweigen – auch von den grünen Parteien. Warum verabschiedet die EU in diesem Fall keine Sanktionen?
Ölquellen im Amazonasgebiet zerstören die Biodiversität
Die Ölförderung in dieser abgelegenen Region hat schwere Umweltverseuchungen hinterlassen, insbesondere mit Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen. Sie bedrohen das Leben der Bevölkerung, die in der Nähe von Ölförderanlagen lebt, oder flussabwärts davon.
Vor allem defekte Ölrohre und Fehler bei der Förderung verursachten Tausende von Unfällen. Generell übersteigen die Sanierungskosten von verseuchten Gebieten bei Weitem die staatlichen Einnahmen, die seitens der verursachenden Förderkonzerne erbracht werden. Die Firmen weigern sich meistens, die Ausgaben zu übernehmen. Deswegen beschränkten sich die peruanischen Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten auf nur wenige Reparationsmaßnahmen.
Auf ölverseuchten Böden ist eine Wiederaufforstung nicht mehr möglich, die verschmutzten Gewässer der oberen Flussläufe übertragen das Gift in das Wassersystem des Amazonas. Das gefährdete Gebiet zwischen Ecuador, Perú und Kolumbien, das auch die "heiligen Quellen des Amazonas" genannt wird, beträgt 30 Millionen Hektar Land. Die Region besitzt die größte Artenvielfalt der Erde. Viele Ölprojekte befinden sich in den Territorien der dort lebenden indigenen Völker, die rund eine halbe Million Menschen umfassen.
Investitionen von Investmentfonds in Milliardenhöhe
Aufgrund der Öl- und Gassanktionen gegen Russland geraten Energieträger aus Südamerika immer mehr ins Interesse der westlichen Industriestaaten. Allein in den vergangenen drei Jahren haben dort fünf internationale Großbanken und Investmentfonds rund sechs Milliarden US-Dollar in Ölförderungsprojekte im Amazonasgebiet investiert.
BlackRock zum Beispiel gilt mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 7,4 Billionen US-Dollar als der größte globale Fonds. Die Firma ist der weltweit größte Investor in Rohstoffe wie Öl, Gas und Kohle. JPMorgan Chase hat seit 2016 mehr als 196 Milliarden US-Dollar in Unternehmen investiert, die fossile Brennstoffe nutzen. Diese Konzerne beuten weiterhin die natürlichen Ressourcen aus, ohne den Umweltschutz und die Rechte der indigenen Völker zu garantieren.
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