Chile lehnt linken Verfassungsentwurf mit großer Mehrheit ab

Im Jahr 2019 protestierten Millionen Chilenen gegen die neoliberal geprägte Verfassungsordnung, die nach einem Militärputsch Anfang der 1970er-Jahre durchgesetzt worden war. Doch das linke Gegenprojekt scheiterte vorläufig am Wählervotum.

Die chilenische Wahlbehörde hat am Sonntag mitgeteilt, dass bei einer Wahlbeteiligung von 98,43 Prozent nur 38,10 Prozent der Stimmberechtigten für den neuen linksgerichteten Verfassungsentwurf stimmten, während 61,90 Prozent der chilenischen Bürger gegen den Entwurf votierten.

Der chilenische Präsident Gabriel Boric versprach nach der Ablehnung des neuen Textes durch die Bürger, den Verfassungsprozess fortzusetzen. Auf einer Pressekonferenz am Sonntag sagte das Staatsoberhaupt:

"Ich verspreche, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um gemeinsam mit dem Nationalkongress und der Zivilgesellschaft eine neue verfassungsgebende Versammlung zu bilden, die einen Text vorlegen wird, der unter Berücksichtigung der aus diesem Prozess gezogenen Lehren eine breite Mehrheit der Bürger repräsentiert."

Er fügte hinzu, dass er am Montag ein Treffen mit den Führern des Parlaments und der politischen Parteien abhalten werde, um die Leitlinien für die Fortsetzung des Prozesses der Ausarbeitung einer neuen Verfassung festzulegen und Vorschläge aus verschiedenen politischen Bereichen zu sammeln.

Das chilenische Volk habe lautstark zum Ausdruck gebracht, dass es mit dem Vorschlag, den der Verfassungskonvent Chiles vorgelegt hatte, nicht zufrieden sei. Das erfordere von den Behörden sowie den politischen Akteuren, mit mehr Engagement und mehr Dialog zu arbeiten und bei der Ausarbeitung eines Textes, der alle Chilenen repräsentieren soll, voranzukommen, so der Präsident.

Die derzeitige chilenische Verfassung wurde 1980 während der Herrschaft von Augusto Pinochet angenommen und trat 1990 endgültig in Kraft. Seitdem wurde sie mehrmals geändert, zuletzt im Jahr 2018.

Ende 2019 kam es in Chile zu gewaltsamen landesweiten Protesten, die durch die Erhöhung der U-Bahn-Tarife ausgelöst wurden. Die Bürgerinnen und Bürger forderten eine angemessene kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung, höhere Löhne und niedrigere Tarife. Im Jahr 2020 stimmten fast vier von fünf Chilenen grundsätzlich für eine neue Verfassung, die mehr Rechte gewähren würde.

Mehr zum ThemaIndigene gegen Wasserkraftwerke – Chiles Verfassungsabstimmung als Richtungsentscheidung