Seit Mittwoch gilt in Teilen Ecuadors wieder der Ausnahmezustand. Als Reaktion auf die seit Mitte Juni andauernden Proteste hat Präsident Guillermo Lasso die Maßnahme in vier Provinzen angeordnet: Azuay, Imbabura, Sucumbíos und Orellana. Der Ausnahmezustand soll vorerst 30 Tage dauern.
Im Rahmen des Ausnahmezustandes gelten alle in den Provinzen Orellana und Sucumbíos befindlichen Kohlenwasserstoffvorkommen samt Infrastruktur und Umgebung als Sicherheitszonen. Die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird im Fall von gewaltsamen Kundgebungen vorübergehend suspendiert. Erlaubt sind friedliche Proteste und andere Aktivitäten, die zu keinen Unruhen führen. In den Provinzen Azuay, Sucumbíos und Orellana wird darüber hinaus nachts der Straßenverkehr eingeschränkt. Zugleich sind die Sicherheitskräfte per Dekret aufgefordert, bei Gewaltanwendung die geltenden Grundsätze und Standards zu achten.
Aus der entsprechenden Erklärung des Präsidentenbüros geht hervor, dass der Ausnahmezustand die öffentliche Ordnung wiederherstellen soll. Außerdem will die Regierung des südamerikanischen Landes mit diesem Schritt die Gewalt unter Kontrolle bringen, Schutzgebiete absichern sowie die Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Gasen sowie Brennstoffen und Lebensmitteln gewährleisten.
Nach dem Ausbruch der massenhaften und teils gewaltsamen Proteste hatte Präsident und Regierungschef Lasso bereits zwei Dekrete über die Verhängung eines Ausnahmezustands in mehreren Teilen des südamerikanischen Landes herausgegeben. Das erste trat am 17. Juni in Kraft und galt den Provinzen Pichincha mit der Hauptstadt Quito, Cotopaxi und Imbabura. Am 20. Juni wurde es durch einen anderen Text ersetzt, der den Ausnahmezustand auf die Provinzen Chimborazo, Tungurahua und Pastaza ausdehnte. Am 25. Juni hob Lasso den Ausnahmezustand auf, nachdem mehrere Abgeordnete im Parlament unter Verweis auf Artikel 130 der Verfassung ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatschef initiiert hatten, da Lasso mit dem Ausnahmezustand de facto eine politische Krise und schwere innere Unruhen anerkannt haben soll. Die für eine Amtsenthebung des Präsidenten erforderliche Zweidrittelmehrheit kam jedoch nicht zustande.
Santiago Guarderas, der Bürgermeister von Quito, forderte Lasso am 29. Juni auf, einen neuen Ausnahmezustand für die Hauptstadt auszurufen. Der Bürgermeister begründete seinen Appell mit Akten von Vandalismus, die es in dieser Woche gegeben hatte.
Inzwischen kündigte die Regierung am Mittwoch an, den Dialog mit den indigenen Gruppen wiederaufzunehmen. Die Gespräche waren am Dienstag nach einem gewaltsamen Zwischenfall in der Provinz Sucumbíos, bei dem ein Sergeant getötet und zwölf Sicherheitskräfte verletzt wurden, suspendiert worden. Nach Angaben der Regierung sei der Konvoi, der mehrere Tankwagen begleitet habe, von 100 Randalierern überfallen worden. Der Verband der indigenen Völker von Ecuador (CONAIE) wies diese Darstellung zurück. Demnach seien die Teilnehmer des Konvois mit Tränengas und Gummikugeln gegen eine friedliche Protestaktion in der Zone vorgegangen. Die Gegenwehr der Demonstranten habe zu einer Konfrontation geführt.
Seitdem der Indigenen-Verband am 13. Juni den Nationalstreik ausgerufen hatte, berichteten Menschenrechtler von mindestens sechs Toten, 331 Verletzten und 152 Festnahmen in den vergangenen 17 Tagen.
Mit dem Streik wollen die Ureinwohner die konservative Regierung unter Lasso dazu bringen, zehn Forderungen nachzukommen. Unter anderem verlangen sie, die Treibstoffpreise einzufrieren, den Schuldendienst für mehr als vier Millionen Familien zu stunden, faire Preise für landwirtschaftliche Produkte festzulegen und das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker zu achten.
Mehr zum Thema - Streik in Ecuador: Gericht beschließt Freilassung auf Bewährung für Indigenen-Anführer