"Impfhauptstadt der Welt": São Paulo erzielt trotz Bolsonaros Impfskepsis 100-Prozent-Impfquote

Die brasilianische Millionen-Metropole São Paulo hat nach offiziellen Angaben alle erwachsenen Einwohner vollständig gegen COVID-19 geimpft. Der Präsident des lateinamerikanischen Staates Jair Bolsonaro hatte zuvor den Sinn der Impfungen wiederholt angezweifelt.

Am Mittwochabend teilte das städtische Gesundheitssekretariat mit, dass alle Einwohner von São Paulo im Alter über 18 Jahren vollständig gegen das Coronavirus geimpft wurden. Dabei gehen die Behörden von insgesamt mehr als 9,2 Millionen Menschen aus. Nach Angaben des Gesundheitssekretariats liegt die Impfquote sogar etwas höher als bei 100 Prozent. Grund dafür sei, dass in São Paulo auch Menschen geimpft wurden, die ihren Wohnsitz in anderen Städten haben.

Gesundheitssekretär Edson Aparecido erklärte São Paulo somit zur "Impfhauptstadt der Welt". Er sagte gegenüber der Zeitung Folha de S. Paulo:

"Ich danke den Menschen, die sich an die Impfung halten und ihr Leben und das Leben anderer schützen."

Im März und April wurde das brasilianische Gesundheitswesen mit der schwersten Corona-Welle seit Beginn der Pandemie konfrontiert. In diesem Zeitraum verzeichneten die Behörden des Landes bis zu 100.000 neue Corona-Fälle und 4.000 testpositive Todesfälle täglich. Die Kliniken waren mit der immer wachsenden Anzahl von Corona-Patienten überfordert, zur Bestattung unzähliger Leichen wurden Massengräber ausgehoben. Auch in São Paulo, das als größte Stadt Südamerikas laut Schätzungen mehr als 12,3 Millionen Einwohner zählt, brach das Gesundheitssystem auf dem Höhepunkt der Pandemie zusammen.

Mit dem Fortschreiten der Impfkampagne gingen die Inzidenzen und Todeszahlen im Zusammenhang mit COVID-19 stark zurück. Im Bundesstaat São Paulo, mit mehr als 40 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Brasiliens, sind mehr als 70 Prozent der Bevölkerung komplett geimpft. Vor zwei Wochen wurde dort erstmals seit Beginn der Pandemie in einem 24-Stunden-Zeitraum kein testpositiver Sterbefall registriert. Zur selben Zeit wurde in der Metropole Rio de Janeiro am Montag der vorerst letzte Patient eines Corona-Krankenhauses in der Nordzone der Stadt entlassen.

Experten warnten jedoch, dass der falsche Eindruck vermittelt werden könnte, die Pandemie sei zu Ende. Wegen anhaltender Ängste um eine mögliche neue Erkrankungswelle hatten zuletzt mehr als 50 Städte im Bundesstaat São Paulo den Karneval 2022 abgesagt.

Nach den USA und Indien liegt Brasilien mit inzwischen mehr als 22 Millionen positiven Testungen auf dem dritten Platz der Corona-Fälle weltweit. Mehr als 613.000 Menschen sind im größten Land Lateinamerikas im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben.

Seit Beginn der landesweiten Impfkampagne im Januar erhielten nach dem Stand vom 17. November inzwischen mehr als 160 der rund 210 Millionen Einwohner des Landes mindestens eine Dosis der Schutzimpfung, was 76,4 Prozent der Bevölkerung entspricht. Der Anteil der vollständig geimpften Bürger erreichte dabei 60,4 Prozent (mehr als 128 Millionen Menschen). Das aktuelle Impfangebot umfasst die Vakzine von Pfizer, CoronaVac und AstraZeneca.

Staatspräsident Jair Bolsonaro hatte der Gesundheitskrise seit deren Ausbruch jedoch stets skeptisch gegenübergestanden. Unter anderem verharmloste er das Coronavirus und zog den Sinn der Impfungen in Zweifel. Der Brasilianer betont zudem immer wieder, selbst noch nicht gegen COVID-19 geimpft zu sein.

Seit Monaten wird Bolsonaros Versagen im Krisenmanagement im Land scharf kritisiert. Auch Aufrufe nach seiner Amtsenthebung werden immer lauter.

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(rt/dpa)