Brasilien erlaubt bei nationalem Gesundheitsnotstand Umgehung von Impfstoffpatenten

Die brasilianische Abgeordnetenkammer hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der einen Verstoß gegen Patentrechte für Impfstoffe und Medikamente im Fall eines nationalen Gesundheitsnotstandes legalisieren soll. In Kürze soll auch der Bundessenat darüber abstimmen.

Am Dienstag nahm die Unterkammer des brasilianischen Nationalkongresses die Gesetzesinitiative mit 425 zu 15 Stimmen an. Der Vorstoß, der von Senator Aécio Neves, dem Präsidenten der sozialdemokratischen Partei PSDB, eingebracht wurde, soll im Fall seines Inkrafttretens den Kongress berechtigen, angesichts eines Gesundheitsnotstandes ohne die Zustimmung des Staatsoberhauptes Lizenzen zur Umgehung von Patenten zu erteilen. Der Gesetzentwurf geht nun zurück an den Senat, der darüber entscheidet, ob die während der Kammerdebatte gebilligten Änderungen angenommen werden. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hatte den Vorschlag zuvor abgelehnt.

Eine signifikante Änderung am Originaltext besteht darin, dass Patentinhaber nicht mehr verpflichtet sind, biologisches Material an Unternehmen zu liefern, die nach den Notstandsregeln eine Lizenz zur Verletzung geistigen Eigentums haben. Diese Bestimmung wurde als unpraktisch, willkürlich und zu einem Verstoß gegen das in der brasilianischen Verfassung garantierte Prinzip des freien Unternehmertums erklärt.

Eine weitere Änderung sieht vor, dass den Inhabern geistigen Eigentums eine Vergütung in Höhe von 1,5 Prozent des Nettoumsatzes am betroffenen Medikament oder Impfstoff zusteht.

Die brasilianische Niederlassung der Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) begrüßte das neue Gesetz. Die Maßnahme "verbessert das derzeitige Patentrecht und erlaubt die Anwendung von Zwangslizenzen auf eine vollständigere und effizientere Art und Weise", erklärte Felipe Carvalho, MFS-Koordinator für Brasilien.

Der Schritt kommt inmitten einer breiteren Initiative, die Gesetze über geistiges Eigentum für die Dauer der globalen Corona-Pandemie insbesondere für Impfstoffe und verwandte Technologien vorübergehend auszusetzen. Während die Welthandelsorganisation die Idee einer globalen Patentaussetzung im vergangenen Oktober erstmals ins Spiel brachte, ein Vorschlag, den Washington mittlerweile unterstützt, lehnt eine Reihe von Ländern dieses Modell ab, darunter die meisten EU-Staaten sowie große Pharmafirmen.

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