Tote und Verletzte bei Protesten – UN verurteilen Polizeigewalt in Kolumbien

Nach tagelangen Protesten in Kolumbien gegen eine umstrittene sowie mittlerweile wieder zurückgezogene Steuerreform und nach dem Rücktritt des Wirtschaftsministers zeigen sich die Vereinten Nationen alarmiert wegen Berichten über exzessive Polizeigewalt.

"Wir sind äußerst besorgt über die Informationen, die wir heute über eine unbestätigte Anzahl von getöteten und verletzten Menschen in Cali erhalten", hat die Vertreterin der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in dem südamerikanischen Land, Juliette de Rivero, am Dienstag auf Twitter geschrieben. In der Nacht zu Dienstag war es vor allem in Cali, der drittgrößten Stadt des Landes, wieder zu von Polizeigewalt überschatteten Demonstrationen gekommen. Kolumbianische Medien berichteten von mehreren, teils schwer verletzten Menschen. Berichte über weitere Tote wurden wie in den vergangenen Tagen zunächst nicht offiziell bestätigt. Am Montag hatte die nationale Ombudsstelle erklärt, dass mindestens 19 Menschen während der einwöchigen Unruhen gestorben seien. Die Ombudsstelle hatte die Zahl der Getöteten seit Beginn der Proteste zunächst auf 17 beziffert, diese Zahl aber später auf 19 nach oben korrigiert. Doch das war vor den neuerlichen Zusammenstößen in Cali.

Marta Hurtado, eine Sprecherin des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, sagte, die UN hätten Berichte erhalten, wonach Menschenrechtsverteidiger in Cali belästigt und bedroht sowie Demonstranten verletzt und getötet worden seien.

"Was wir klar sagen können, ist, dass wir Berichte erhalten haben und wir haben Zeugen von exzessiver Gewaltanwendung durch Sicherheitsbeamte, Schießereien, Einsatz von scharfer Munition, Prügeln von Demonstranten und auch Verhaftungen", so Hurtado gegenüber Medienvertretern in Genf.

Die Hauptzugangsstraßen nach Cali sind blockiert und der Flughafen der Millionenstadt gesperrt. Tausende Kolumbianer demonstrieren seit vergangenen Mittwoch gegen eine vom damaligen Wirtschaftsminister Alberto Carrasquilla angestoßene und inzwischen zurückgezogene Steuerreform. Kritiker der Steuerreform bezeichneten die Vorschläge als "neoliberal". Laut der Plattform amerika21.de wollte die Regierung die Mehrwertsteuer auf viele Produkte des täglichen Bedarfes von 6 auf 19 Prozent erhöhen und viele tägliche Bedarfsgüter (wie Hygieneartikel und Fleisch) zu Luxusgütern erklären. Zudem kritisiert die Plattform, dass die geplante Abschaffung von Subventionen in der Landwirtschaft deren Produktionskosten steigern und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber importierten Produkten aus dem Ausland senken würde. Außerdem sollten rund 40 Sozialprogramme für die ärmsten Teile der Bevölkerung eingestellt und Renten besteuert werden. Mit der Reform sollten die von der Corona-Krise verursachten Defizite im Staatshaushalt ausgeglichen werden.

Obwohl Präsident Iván Duque am Sonntag ankündigte, die Steuerreform zurückzunehmen, gehen die Proteste in Kolumbiens Großstädten weiter. Die Dachorganisation, die zu den Protesten der letzten Woche aufgerufen hatte, rief für Mittwoch einen neuen landesweiten Streik ein und erklärte, dass die Rücknahme der Steuerreform nicht genug sei und sie auch Verbesserungen im Renten-, Gesundheits- und Bildungssystem Kolumbiens fordert. Viele Demonstranten machen auch weiter, weil sie wütend über die Gewalt der Sicherheitskräfte sind.

Immer wieder wendet die Polizei in Kolumbien bei Demonstrationen übermäßige Gewalt an, etwa im November 2019, als mehrere Menschen ums Leben kamen, unter ihnen der Schüler Dilan Cruz. Die Polizei ist in dem südamerikanischen Land aufgrund der Erfahrungen aus Konflikten etwa mit linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs dem Verteidigungs-, nicht dem Innenministerium unterstellt.

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