Trotz Einstellung der Kämpfe: 400.000 Menschen in Tigray akut vom Hungertod bedroht

Die Zahl der vor dem Hungertod stehenden Menschen in der äthiopischen Krisenregion Tigray hat trotz einer einseitigen Waffenruhe weiter zugenommen. Auch nach der Einstellung der Kämpfe bleibt der Zugang der Hilfsorganisationen zur notleidenden Bevölkerung weiterhin erschwert.

Laut Schätzungen haben bereits mehr als 400.000 Menschen die Schwelle zur Hungersnot überschritten, sagte der amtierende Chef des UN-Nothilfebüros Ocha, Ramesh Rajasingham, am Freitag bei einer Sondersitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York. Weitere 1,8 Millionen Menschen befinden sich ihm zufolge am Rande einer Hungersnot. Andere Angaben gingen sogar von noch mehr Hungernden aus.

Der Konflikt zwischen Regierung und lokalen Rebellen in Tigray war im November eskaliert. Die äthiopische Regierung hatte eine Militäroffensive gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) begonnen, die bis dahin in der gleichnamigen Region an der Macht war. Wegen des Konflikts, der immer komplexer wurde und auch Streitkräfte aus dem Nachbarland Eritrea einschließt, mussten Hunderttausende fliehen. Am Montagabend hatte die äthiopische Regierung überraschend einen einseitigen Waffenstillstand angekündigt – die Regionalhauptstadt Mekelle ist seitdem unter Kontrolle der Rebellen.

Rajasingham erklärte vor dem Sicherheitsrat weiter, dass noch immer zwei Millionen Menschen in der Region im Norden des Landes vertrieben sind. Zudem seien 5,2 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen, "die große Mehrheit von ihnen Frauen oder Kinder". Die Feuerpause soll es humanitären Organisationen eigentlich erlauben, ungehindert in der Region zu arbeiten. Allerdings wird der Zugang der Hilfsorganisationen seit Monaten von der Sicherheitslage, bürokratischen Hürden sowie fehlendem Strom, Internet und kaum funktionierenden Telefonverbindungen erschwert. Zuletzt war eine für den humanitären Zugang wichtige Brücke nach Tigray zerstört worden.

Die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, warnte derweil davor, dass es in Tigray trotz des Fortschritts angesichts der Waffenruhe "Potenzial für weitere Konfrontationen und eine schnelle Verschlechterung der Sicherheitslage" gebe.

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(rt/dpa)