Polen hat Angst vor pazifistischen Deutschen: "Sie werden uns nicht verteidigen"

Angesichts der Erfahrungen Polens mit dem deutschen Militarismus und den über sechs Millionen polnischen Kriegstoten, mutet die derzeitige Debatte in Polen recht bizarr an. In den Leitartikeln der führenden Zeitungen und im Staatsfernsehen wird über den "verinnerlichten Pazifismus" der Deutschen und die mangelhafte Bewaffnung der Bundeswehr lamentiert.
Die Berichte der vergangenen Wochen über die mangelnde Einsatzfähigkeit der Bundeswehr haben die polnische Öffentlichkeit, angesichts der Krise in der Ostukraine und der ewigen Angst vor einer russischen Invasion, aufgeschreckt. In den Abendnachrichten des Staatsfernsehens TVP berichtete am Montag deren Deutschland-Korrespondenten Marcin Antosewicz über die Missstände bei der Bundeswehr und betonte, dass Deutschland an sich genug Geld für eine Modernisierung der Bundeswehr zur Verfügung stellen könnte. Dann ging seine Stimme aber anklagend in die Höhe. "Doch sie schätzen derzeit als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg den Pazifismus mehr". "Dieser verinnerlichte Pazifismus", wurde dann auch am nächsten Tag im Leitartikel der als wirtschaftsliberal geltenden Tageszeitung Gazeta Wyborcza kritisiert. Besagter Pazifismus habe sogar die einflussreiche evangelische Geistliche Margot Käßmann dazu gebracht, die Abschaffung der Bundeswehr zu fordern. Auch von der derzeitigen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen könne Polen keinen Beistand erhoffen, denn diese kümmere sich "vor allem um Krippenplätze ihrer Soldatinnen und Soldaten." Bereits Ende August warnten einflussreiche Zeitungen vor einem mangelnden militärischen Engagement der Deutschen. Unter einem Bild der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit nach unten hängenden Mundwinkeln wurde getitelt: "Deutschland wird uns nicht verteidigen." Noch im Januar war sie in Polen zur "Politikerin des Jahres" ernannt wurden. Merkels distanziertes Verhältnis zu Russland und seinem Präsidenten Vladimir Putin war zuvor von polnischer Seite sehr geschätzt wurden. Allerdings erfülle ihr "moderierender" Politikstil, so eine Interpretation des Informationsportals Telepolis, nicht mehr das polnischen Bedürfnis nach "emotionalen Solidaritätsgesten." Dieses nahm in den letzten Wochen, auf Grund von kolportierten Drohungen Putins, Warschau innerhalb von zwei Tagen erobern zu können, weiter zu. Auch wenn sich später herausstellte, dass der ukrainische Präsidenten Petro Poroschenko diese Drohungen einfach erfunden hatte, verstärkt sich dadurch das subjektive Bedrohungsgefühl. Mit dem Wechsel des bisherige Premierministers Donald Tusk ins Amt des EU-Ratspräsidenten entsteht in Polen eine Art Machtvakuum. Nachfolgerin wird Ewa Kopacz, die zuvor als Parlamentspräsidentin wirkte, und als wenig volksnah gilt. Sie stellte gestern ihr Programm im Sejm (Polnisches Parlament) vor. Die Verteidigungsfähigkeit des Landes war dabei eines der zentralen Themen. "Wir sollten uns verhalten wie eine vernünftige Frau - unser Land, unsere Kinder unsere Sicherheit sind am wichtigsten", so fasste sie ihre politische Vorgehensweise zum Ukrainekonflikt und dem Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) zusammen. Halleluja.