EU-Gipfel endet mit Einigung: Wird Griechenland gerettet oder geplündert?

Nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon haben sich die Mitglieder der Eurozone einstimmig darauf geeinigt, neue Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland aufzunehmen. Der Ausschluss Griechenlands aus dem Euro ist damit vorerst vom Tisch. Allerdings soll Griechenland staatseigene Sachwerte in Höhe von 50 Milliarden Euro zur Privatisierung in einen Treuhandfonds übergeben. Die Zustimmung der nationalen Parlamente steht noch aus.
Die Finanzminister der Euro-Zone haben den Weg für Verhandlungen zu einem neuen ESM-Kreditprogramm für Griechenland freigemacht. Zuvor stieß die harte Haltung Deutschlands, insbesondere von Finanzminister Wolfang Schäuble (CDU), auf heftigste öffentliche Kritik. Weltweit erobert der Hashtag #ThisIsACoup ("Das ist ein Staatsstreich") die Twitter-Charts. Zahllose Kommentatoren, darunter auch renommierte Ökonomen wie der US-Amerikaner Paul Krugman, werfen Deutschland vor, unerfüllbare Bedingungen an Griechenland gestellt zu haben, die nicht das Ziel hätten eine Einigung zu erzielen, sondern die griechische Regierung destabilisieren sollten. Schon zuvor wurde immer wieder Schäubles Abneigung gegen die vor einigen Monaten ins Amt gewählte griechische Regierung unter dem Linksbündnis Syriza deutlich. Weiter sprechen Kritiker von "Fiskalischem Waterboarding", Erpressung und Finanz-Kolonialismus. In der Tat sahen die Pläne der EU vor, Griechenland de facto in ein Protektorat zu verwandeln und gänzlich seiner staatlichen Souveränität zu berauben. An die Stelle der demokratischen und parlamentarischen Selbstbestimmung sollte nach Wunsch von Brüssel und Berlin die Steuerung durch externe transnationale Organisationen, wie den IWF, treten. Eine derartig tiefe Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates ist ein klarer Bruch des Völkerrechtes, für das sich die EU-Staaten in anderen Fällen sonst sehr wortreich einsetzen. Nach den Worten des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, konnte dieser allerdings die schwerwiegendsten Forderungen der übrigen EU-Staaten noch einmal abwenden. Tsipras hat nach eigener Einschätzung "das Beste für Griechenland erreicht", dennoch stehe nun auch eine harte innenpolitische Auseinandersetzung bevor, um eine parlamentarische Mehrheit für die erzielten Kompromisse zu finden. Auch in Deutschland und den übrigen Euro-Staaten müssen die Parlamente neuen Kredit-Milliarden für Griechenland zustimmen. Der erzielte Kompromiss sieht nun zwar vor, dass direkt Verhandlungen über neue ESM-Kredite geführt werden sollen, und nicht erst nach der Umsetzung neuer Kürzungen, wie es von Schäuble gefordert wurde, allerdings sollen staatliche Sachwerte Griechenlands in Höhe von 50 Milliarden Euro in einen Treuhandfonds übergeben werden, aus dem diese dann an internationale Investoren veräußert werden. Letztendlich eine tiefgreifende Plünderung des griechischen Staates, der sich seit nunmehr sechs Jahren in der Schuldenfalle befindet. Ob die Syriza-Regierung diese geplanten Schritte innenpolitisch überlebt, bleibt unklar. Dass sich die griechische Schuldenkrise nun löst, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Auch die neuen Kreditpakete sollen wieder mit umfangreichen Austeritätsmaßnahmen verbunden werden, die den Staat seit Jahren immer tiefer in den wirtschaftlichen Niedergang treiben. Aber vielleicht geht es den EU-Staaten - und den hinter ihnen stehehenden Geldgebern - auch gar nicht um eine tatsächliche "Rettung" und um Hilfe auf Augenhöhe. Wahrscheinlicher ist, dass diese lediglich ihre Begehrlichkeiten an den 50 Milliarden Euro schweren physischen Sachwerten des Landes befriedigen wollen.