Friedensprozess in Kolumbien vor dem Scheitern? Verhandlungen zwischen FARC und Regierung stagnieren

In der kubanischen Hauptstadt Havanna hat der 38. Verhandlungszyklus zwischen Farc-Guerilla und der kolumbianischen Regierung begonnen. Schwerpunkt der aktuellen Verhandlungsrunde liegt auf dem Umgang mit den Opfern des über fünf Jahrzehnte währenden Konfliktes sowie der strafrechtlichen Aufarbeitung der während dieser Zeit verübten Menschenrechtsverbrechen auf beiden Seiten. Begleitet wird dieser Prozess jedoch von einer zunehmenden militärischen Eskalation zwischen kolumbianischen Regierungstruppen und der Farc. Doch während der kolumbianische Präsident Manuel Santos davon spricht, dass in der Praxis die Postkonfliktphase in Kolumbien bereits begonnen habe, mehren sich prominente Stimmen, die vor einem baldigen Scheitern der Friedensverhandlungen warnen.
Im Gespräch mit RT Deutsch sagte Yesid Arteta, ehemalige Farc-Kommandant und jetzige Berater der norwegischen Regierung, die neben Kuba, als völkerrechtlicher Garant der Verhandlungen agiert: "Wenn die Farc jetzt nicht sehr schnell ein symbolisches Zeichen setzt, und sagen wir, zumindest zehn hochrangige Mitglieder für die begangenenMenschenrechtsverbrechen vor Gericht bringt, sozusagen opfert, dann sehe ich für den weiteren Verlauf der Verhandlungen wirklich schwarz. Beide Seiten sind gerade in einer Situation gefangen, in welcher weder die Farc noch die Militärs sich wirklich einer strafrechtlichen Aufarbeitung mit allen Konsequenzen aussetzen wollen. Aber es wäre in meinen Augen die Farc, die hier den ersten Schritt machen müsste. Das schwierige ist auch, dass die Guerilla über keinen wirklichen Plan B verfügt und ein Scheitern der Verhandlungen, fatale Auswirkungen für die Guerilla hätte, die danach auch innerhalb der lateinamerikanischen Linken völlig isoliert wäre. Um diese schwache Position der Farc wissen natürlich auch gewisse Kräfte des ultra-rechten Sektors in Kolumbien." Arteta weilte letzte Woche  für Gespräche mit dem von der deutschen Bundesregierung ernannten Sonderbeauftragten von Außenminister Frank-Walter Steinmeier für den kolumbianischen Friedensprozess in Berlin, dem menschenrechtspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Tom Koenigs. Der kolumbianische Konfliktforscher und Senator für die rechtsgerichtete Oppositionspartei Demokratisches Zentrum (CD), Alfredo Rangel, sagte gegenüber dem spanischen Zweig des russischen Nachrichtensender Sputnik: "Die Friedensgespräche sind völlig parallelisiert und verlieren immer mehr an Glaubwürdigkeit innerhalb der Bevölkerung, die nicht versteht, wie man in Havanna verhandeln kann, während die Angriffe der Guerilla unvermindert fortgesetzt werden." Weiter führte er aus,  dass seiner Einschätzung nach, die Zukunft der Friedensgespräche sich sehr "verdunkelt". Die Farc akzeptiere seiner Darstellung nach keine Gerichtsbarkeit und "sie sind weder bereit auch nur einen Tag Gefängnis für ihre Aktionen zu bezahlen, noch ihre Waffen abzugeben. Es gäbe, so Rangel abschließend,  noch "so viele anstehende Themen und für keines ist eine Lösung in Sicht." Das Demokratische Zentrum unter Führung des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe, stellt aktuell die größte Oppositionspartei und hat eine grundsätzlich kritische bis feindliche Haltung gegenüber den laufenden Friedensgesprächen. Uribe werden enge Verbindungen zu rechtsgerichteten Paramilitärs vorgeworfen. Teile der Anschuldigen gegen ihn konnten auch schon mit Zeugen und Fotomaterial belegt werden. Im Dezember 2014 hatte die Farc im Kontext der Friedensgespräche eine einseitige Waffenruhe ausgerufen, die jedoch die kolumbianischen Regierungen mit unverminderten Angriffen auf Guerilla-Positionen beantwortete. Im April war es dann zu einem größeren Hinterhalt von Farc-Einheiten gekommen, in dessen Verlauf zehn kolumbianische Militärs den Tot fanden. Seit diesem Ereignis lassen sich zunehmende militärischen Auseinandersetzungen und Bombardierungen durch die kolumbianischen Streitkräfte beobachten, denen auch Vertreter der Farc-Verhandlungsdelegation in Havanna zum Opfer fielen. Der kolumbianische Konflikt, der in seinem Ausmaß die politikwissenschaftliche Definition von Bürgerkrieg erfüllt, hat seit 1964 mindestens 250.000 Menschen das Leben gekostet.  Insgesamt sind sieben Millionen Kolumbianer im offiziellen Opfer-Register eingetragen. Davon über fünf Millionen Binnenvertriebene, die weltweit höchste Zahl an internen Flüchtlingen.