Überlebendem Boston-Attentäter Tsarnaev droht die Todesstrafe - Todesumstände seines Bruders nach wievor unklar

Dem wegen seiner Mitwirkung am Bombenanschlag auf den Boston-Marathon im April 2013 angeklagten Dzhokhar Tsarnaev droht die Todesstrafe. Dies ist die Konsequenz seiner Verurteilung in allen 30 Anklagepunkten durch eine Jury in Boston, Massachusetts. Um die Todesstrafe möglich zu machen, hätte eine Verurteilung in einem einzigen Anklagepunkt ausgereicht. Im Unklaren bleiben allerdings die Umstände des Todes von Dzokhars älteren Bruder, hier widersprechen sich Polizei sowie Ärzte und Augenzeugen massiv.
Tsarnaev wurde unter anderem schuldig gesprochen, an einer Verschwörung zum Gebrauch einer Massenvernichtungswaffe sowie des Besitzes und der Verwendung einer Feuerwaffe während eines Verbrechens, der Verschwörung zu einem Sprengstoffattentat auf einem öffentlichen Platz, der Verschwörung zur böswilligen schweren Sachbeschädigung und der Verschwörung zur böswilligen Zerstörung von Eigentum durch Sprengkörper, jeweils mit Todesfolge, beteiligt gewesen zu sein. Auch weiterer elf Anklagepunkte, die nicht zum Tod von Menschen geführt hatten, wurde Tsarnaev schuldig gesprochen, darunter räuberischen Autodiebstahls, Eingriff in den Handelsverkehr durch Drohungen und Gewalt, Waffenbesitz und –verwendung während der Begehung eines Verbrechens und Verwendung einer Massenvernichtungswaffe. Die Jury fällte ihr Urteil nach elfstündiger Beratung. Auch die Anwältin Tsarnaevs, Judy Clarke, hat die vollständige Tatbeteiligung ihres Mandanten eingeräumt, der auf einem Überwachungsvideo zu sehen war, wie er einen Rucksack hinterließ, in dem eine Bombe versteckt war. Sie plädierte aber darauf, die Todesstrafe nicht zu verhängen, da der "leicht zu beeindruckende" junge Mann durch seinen älteren Bruder Tamerlan Tsarnaev, einen erfahrenen Djihadisten, gesteuert worden wäre, der die treibende Kraft hinter den Anschlägen gewesen sei. Am 15. April 2013 explodierten im Abstand von zwölf Sekunden zwei Rohrbomben an der Ziellinie des Boston-Marathons. Drei Menschen, darunter ein achtjähriger Junge, starben, 170 wurden verletzt. Vier Tage später wurden ein Polizeibeamter am Massachusetts Institute for Technology (MIT) in den frühen Morgenstunden getötet und ein Auto mit einer Geisel entwendet, woraufhin es zu einer Verfolgungsjagd kam, die von Cambridge, MA, in die nahe gelegene Vorstadt Watertown führte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei bereits den damals 19-jährigen Tsarnaev und dessen 26-jährigen Bruder Tamerlan als Tatverdächtige identifiziert. In Watertown kam es zwischen der Polizei und den Verdächtigen zu einem Schusswechsel, bei dem Tamerlan getötet wurde. Dzhokhar Tsarnaev konnte vorerst entkommen, wurde jedoch später in einem Boot an einer privaten Anlegestelle gefunden, in dem er sich versteckt hatte. Der genaue Hergang der Todesumstände von Dzokhars älteren Bruder bleibt jedoch ungeklärt. Während die Polizei behauptet, dass Dzokhar selbst Tamerlan mit einem Geländewagen überfahren und ihn ganze sechs Meter mit sich gezogen habe, bis dieser starb, malten Notärzte ein völlig anderes Bild vom Hergang. Sie erklärten, dass der Körper überhaupt nicht danach aussah, als wenn Tamerlan überfahren wurde. Vielmehr fanden Ärzte Wunden wieder, die auf Schuss- und Schrapnell-Verletzungen hinweisen. Ein Augenzeuge ging noch weiter und behauptete, gesehen zu haben, wie Tamerlan von einem Geländewagen der Polizei angefahren und dann von dieser mit mehreren Schüssen zu Tode gestreckt wurde. Der Prozess hatte am 4. März begonnen. Die Verteidigung beantragte die Verlegung des Prozesses nach Springfield, New York City oder Washington, D.C., weil sie eine Voreingenommenheit der Jury in Boston befürchtete. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben. Die Beratungen der Jury kreisten vor allem um den Fragenkomplex der rechtlichen Qualifikation einer "Verschwörung" und ob diese ein spezifisches Ereignis wäre oder zwingend über einen längeren Zeitraum andauern müsse. Die andere Frage drehte sich um die rechtliche Qualifikation und Relevanz von Beihilfe und Beitragstäterschaft. Dem Richter zufolge würde es sich in jedem Fall um einen einzigen Tatvorsatz dahingehend handeln, einem anderen bei einem Verbrechen zu assistieren. Auch musste die Jury bezüglich dreier spezifischer der 30 Anklagepunkte klären, ob diesbezüglich sowohl eine Zurechenbarkeit derselben hinsichtlich der drei Toten vom Boston-Marathon und des getöteten Polizeibeamten zu bejahen wäre. Nun ist die Schuldfrage geklärt und die Jury muss sich mit der Frage der Strafzumessung befassen. Zur Debatte stehen die Todesstrafe oder eine lebenslängliche Haftstrafe unter Ausschluss einer vorzeitigen Entlassung. Die Beratungen könnten dem Richter zufolge nächste Woche beginnen.