Rund 600.000 Touristen sollen von der Pleite des britische Reisekonzern Thomas Cook betroffen sein, darunter auch rund 140.000 Deutsche. Das hoch verschuldete Touristikunternehmen mit weltweit etwa 21.000 Mitarbeitern hatte Insolvenz angemeldet und seinen Betrieb eingestellt. Der Verkauf von Reisen wurde gestoppt.
Verkauf von neuen Reisen bleibt gestoppt
Die britische Regierung soll in den nächsten Tagen etwa 150.000 Urlauber nach Hause zurückholen. In Deutschland gibt es eine spezielle Insolvenzpflichtversicherung für Reiseveranstalter, weswegen die zunächst dafür verantwortlich sind, eine Rückreise zu organisieren. Pauschalurlauber, die schon im Urlaub sind, haben demnach auch Anspruch, vor Ort im Hotel zu bleiben, bis die Rückreise organisiert ist.
Für jene Kunden, die die gebuchte Reise noch nicht angetreten haben, gibt es hingegen schlechte Nachrichten. Am 25. und 26. September können die Kunden ihre Reisen nicht antreten, sagte ein Sprecher der deutschen Tochter von Thomas Cook gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Bereits am Montag und Dienstag konnten Touristen, die mit der deutschen Thomas Cook gebucht hatten, nicht zur ihrem Urlaubsziel starten. Der Verkauf von neuen Reisen bleibt gestoppt.
Wegen des Insolvenzantrags des Mutterkonzerns hatte der bislang profitable Ferienflieger Condor einen staatlich verbürgten Überbrückungskredit beim Bund beantragt. Nach Informationen der dpa handelt es sich dabei um 200 Millionen Euro. Das hessische Unternehmen, das etwa 4.900 Mitarbeiter beschäftigt, will auf diese Weise "Liquiditätsengpässe" verhindern. Der Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte am Dienstag einen Beschluss der Bundesregierung "in den nächsten Tagen" an. Inzwischen wurde auch bekannt, dass auch die deutsche Thomas-Cook-Tochter eine Bitte um Staatshilfe gestellt hat. Wie hoch der Überbrückungskredit sein soll, ist nicht bekannt.
Am Dienstag hielt Condor seinen Betrieb weiter aufrecht. Alle Flüge sollten wie geplant durchgeführt werden, hieß es. Nach Angaben des Unternehmens ist weniger als ein Fünftel der Condor-Passagiere Gäste der Thomas-Cook-Veranstaltermarken. Angesichts der bevorstehenden Herbstferien wäre ein Ausscheiden der Fluggesellschaft aus dem Markt für die Branche ein großes Problem.
Was bedeutet die Thomas-Cook-Pleite für den Tourismussektor?
Die Experten sprechen schon von erheblichen Auswirkungen für die Tourismusregionen allein durch die Insolvenz des britischen Mutterkonzerns. In Spanien, Griechenland oder Tunesien könnten vor allem viele kleinere Unternehmen wegen der nicht bezahlten Rechnungen vor ihrem Ende stehen. Hinzu kommt die Befürchtung, dass mit der Pleite des britischen Reiseveranstalters auch Millionen von Touristen den Regionen wegbleiben.
So gehen etwa griechische Tourismusverbände davon aus, dass die Insolvenz von Thomas Cook den Tourismussektor des Landes bis zu 500 Millionen Euro kosten könnte. Der Fremdenverkehrsverband SETE rechnet mit Einbußen von 250 Millionen bis 500 Millionen Euro. Eine andere Berechnung, die des Verbands Hellenischer Hoteliers (GTP), schätzt den Verlust für die griechische Tourismusbranche auf 300 Millionen Euro. Es sei für die Wirtschaft "der stärkste Schlag seit der Finanzkrise", schrieb am Dienstag die Wirtschaftszeitung Naftemporiki.
Rund 70 Prozent aller Tourismusunternehmen auf Kreta haben Verträge mit Thomas Cook
Im Ranking der fünf wichtigsten Destinationen von Thomas Cook lag Griechenland auf Platz drei, 2018 brachte das Unternehmen rund 2,8 Millionen Besucher ins Land. Vor allem Hoteliers auf Kreta, Rhodos und Kos arbeiteten laut GTP eng mit den Briten zusammen. Zudem betrieb Thomas Cook in Griechenland vier eigene Hotels und beschäftigte 640 Mitarbeiter. Was nun mit den Beschäftigten und den Hotels geschieht, sei unklar, berichten griechische Medien.
Der Präsident des Kretischen Tourismusverbands, Michalis Vlatakis, bezeichnete die Pleite am Montag als "Erdbeben der Stärke sieben", dessen Tsunami noch zu erwarten sei. Rund 70 Prozent aller Tourismusunternehmen auf Kreta hätten Verträge mit Thomas Cook.
Allein auf Mallorca bleiben Firmen schätzungsweise auf 100 Millionen Euro sitzen, wie die Regionalzeitung Ultima Hora unter Berufung auf Branchenkenner berichtete. Betroffen sind demnach vor allem zahlreiche Hotels sowie Handling- und Catering-Firmen. Schon nach Beginn der diesjährigen Hochsaison habe Thomas Cook die Zahlungen hinausgezögert, hieß es.
Derzeit hat Thomas Cook rund 70 Millionen Euro an offenen Rechnungen bei tunesischen Hotels
In Spanien trifft das Aus von Thomas Cook vor allem die Kanaren und die Balearen sowie Andalusien, Valencia und Katalonien. Mit dem Veranstalter waren im vorigen Jahr rund 3,6 Millionen der insgesamt 82 Millionen ausländischen Touristen nach Spanien gekommen. Auf den Kanaren machten Thomas-Cook-Kunden nach amtlichen Angaben 20 Prozent aller ausländischen Besucher aus, auf den Balearen zehn bis 15 Prozent.
Die Präsidentin der Hotelierverbandes von Mallorca (FEHM), Maria Frontera, hatte gewarnt, wegen der Thomas-Cook-Pleite sei "die Zukunft vieler Unternehmen ernsthaft gefährdet". Die Konsequenzen der Pleite für Mallorca seien "von einer bisher nie dagewesenen Dimension". Hilfe des Staates werde auf jeden Fall nötig sein.
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In Tunesien sind nach Angaben des Hotelverbandes FTH etwa 100 Hotels in Hammamet und auf Djerba betroffen. 40 dieser Hotels seien ausschließlich Partner des insolventen Reisekonzerns.
Wir sind sehr besorgt, was die Zukunft dieser Hotels betrifft", sagte Mouna Ben Halima vom Hotelverband.
Nach schweren Anschlägen im Jahr 2015 war der Tourismus in dem nordafrikanischen Land eingebrochen und erholt sich erst langsam wieder. 2019 hatte sich die Zahl der britischen Touristen, die rund zehn Prozent der europäischen Reisenden ausmachen, wieder erhöht. Derzeit stünden von Thomas Cook rund 70 Millionen Euro an offenen Rechnungen bei tunesischen Hotels aus.
(rt deutsch/dpa)