Krise in Sicht? Autobranche meldet große Schwierigkeiten

Weltweit stehen der Branche große Umwälzungen bevor: China pusht Elektroantriebe, in der EU kommen strenge Vorgaben für das Treibhausgas CO2, US-Konzerne drängen darauf, das Autofahren mit Robotaxis zu revolutionieren. Da kommt ein Absatzeinbruch ungelegen.

Die deutschen Autobauer haben nach Jahren der Rekordmeldungen derzeit wenig zu feiern. Kaum müssen die für die deutsche Volkswirtschaft so wichtigen Unternehmen viele Milliarden in Elektroantriebe, Batterietechnik und Vernetzung für Autos investieren, brechen ihnen die Erlöse und Gewinne in lange Zeit verlässlichen Märkten regelrecht weg. Volkswagen und Daimler meldeten für ihre Kernmarken VW und Mercedes-Benz am Mittwoch weitere Rückgänge beim Autoverkauf rund um den Globus. Experten sind in Sorge, dass die Autoproduktion insgesamt dieses Jahr drastisch sinken wird.

In China, früher ein Wachstums- und damit Absatzgarant, herrscht nach mehr als 20 Jahren Boom nun bereits seit zwölf Monaten Tristesse. Die Autokäufer reagieren weiter höchst sensibel auf die Zollstreitigkeiten zwischen den USA und Peking, außerdem wächst die Wirtschaft in der Volksrepublik ebenfalls nicht mehr so rasant wie früher.

USA: Höhere Zinsen könnten die Nachfrage abwürgen

Da warten die chinesischen Verbraucher lieber mit teureren Anschaffungen. Selbst die Mehrwertsteuersenkung Anfang April konnte dem Konsum bisher nicht auf die Beine helfen. Die beiden Branchenverbände China Passenger Car Associaton (PCA) und China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) meldeten für Mai weiter deutlich rückläufige Verkäufe an Endkunden sowie geringeren Vertrieb an die Händler.

Der Markt in Europa will auch nicht so recht anspringen, nachdem im vergangenen Herbst neue Abgasmessverfahren eingeführt wurden. Und in den USA drohen – neben den selbst verschuldeten Zollstreitigkeiten – höhere Zinsen die Nachfrage der oft auf Pump kaufenden Autofahrer abzuwürgen.

Volkswagen liegt mit seiner Kernmarke nach fünf Monaten mit weltweit rund 2,46 Millionen ausgelieferten Autos 5 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres. Daimler verkaufte mit der Stammmarke Mercedes-Benz bisher ebenfalls knapp 5 Prozent weniger Autos, bei Audi waren es fast 6 Prozent weniger. BMW muss die Zahlen für Mai erst noch vorlegen, hatte bis April aber bei der Hausmarke ein kleines Plus von fast einem Prozent zu verzeichnen.

Für den Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer steht die Industrie weltweit vor einer tiefen Krise. Laut einer Studie des Forschungsinstituts CAR der Universität Duisburg-Essen könnte im laufenden Jahr der globale Absatz neuer Autos um gut 5 Prozent auf 79,5 Millionen Stück sinken. Ein derart starker Einbruch war nicht einmal nach der Finanzkrise 2008 beobachtet worden. Dudenhöffer sieht die vom US-Präsidenten Donald Trump angezettelten Zollkriege und Sanktionen als wichtigsten Grund. Seine Untersuchung rechnet für das Gesamtjahr 2019 mit einem Rückgang von sogar rund 10 Prozent in China. In Westeuropa werde das Minus mit 3 Prozent moderater ausfallen.

Marktturbulenzen und Sparprogramme 

China stand demnach zuletzt für mehr als ein Viertel der weltweiten Autoproduktion. Jetzt hat das Land laut Dudenhöffer Überkapazitäten zu schultern, die er auf mindestens 6 Millionen Fahrzeuge jährlich schätzt.

Zwar treffen die verschiedenen Probleme die deutschen Hersteller und Zulieferer auf unterschiedliche Weise. Mercedes-Benz etwa belasten nach Unternehmensangaben derzeit vor allem die Modellwechsel. Im zweiten Halbjahr soll es dann wieder bergauf gehen. Nicht zuletzt kostete die Umrüstung von Dieselfahrzeugen viel Geld.

Bei Audi bereitete der neue Abgasprüfstandard WLTP die schwersten Probleme, weil viele Modelle nicht verfügbar waren. VW ist mit dem Angebot an massenkompatiblen Autos relativ stark von der Kaufzurückhaltung in China betroffen. BMW wiederum ist dort aktuell mit neuen Modellen zwar gut unterwegs, doch wegen der Marktturbulenzen in Europa drosselte das Unternehmen die Produktion. Außerdem haben die Münchener als einziger Hersteller in der deutschen Riege eine Vorsorge für eine mögliche Kartellstrafe der EU getroffen – und zwar in Milliardenhöhe.

Doch – so unterschiedlich die Probleme im Einzelnen sein mögen – der Effekt ist oft gleich: sparen, sparen, sparen. Daimler will rund um den Chefwechsel noch nicht so recht herausrücken mit konkreten Details zum Sparprogramm, der neue Konzernlenker Ola Källenius wird aber wohl bald die Zügel anziehen müssen. Ex-Chef Dieter Zetsche gab ihm mit auf den Weg, dass alles auf den Prüfstand kommen müsse.

Bei BMW sollen in den kommenden vier Jahren insgesamt 12 Milliarden Euro eingespart werden. Bei Volkswagen trimmt Vorstandsboss Herbert Diess vor allem die renditeschwache Kernmarke VW und die zuletzt schwächelnde Konzerntochter Audi auf mehr Rendite. Neben dem laufenden Sparprogramm von VW, das vor allem die Produktion trifft, sollen weitere rund 4.000 Stellen in der Verwaltung gestrichen werden.

Und die Autobauer sind nicht allein, hintendran hängen auch immer die Zulieferer. Bei den börsennotierten Unternehmen kam in den vergangenen zwölf Monaten kaum einer von ihnen um Gewinnwarnungen herum, weil die Geschäfte seither schon schlechter liefen als ursprünglich geplant.

(dpa/rt deutsch)