von H. Posdnjakow
Egal ob in Talkshows, Tageszeitungen oder im Wahlkampf: Die Debatte um das Rentensystem in Deutschland ist seit Jahren ein Top-Thema. Während die einen mit Verweis auf finanzielle Bedenken für weitere neoliberale Reformen agitieren, das Renteneintrittsalter am liebsten auf 70 erhöhen und das Rentenniveau weiter sinken lassen würden, warnen Gewerkschaften und Sozialverbände in immer dringenderen Tönen davor, dass Millionen Beschäftigte nach ihrer Verrentung in die Altersarmut abrutschen werden. Doch sind zukünftige Generationen tatsächlich dazu verdammt, ihre miesen Rentenbezüge durch das Sammeln von Pfandflaschen aufzustocken?
Zumindest nicht in unserem südlichen Nachbarstaat Österreich. Das Land machte die rentenpolitische Wende, die in Deutschland in den 2000er Jahren vollzogen wurde, nicht mit. Ein genauer Blick auf die dortige Alterssicherung könnte wertvolle Rückschlüsse auf unser eigenes Rentensystem liefern.
Rund 60 Prozent höhere Renten an der Donau
Pensionisten – die österreichische Bezeichnung für Rentner – erhalten durchschnittlich etwa 60 Prozent höhere Bezüge als deutsche Ruheständler. Die Durchschnittsrente liegt im südlichen Nachbarland bei 1.231 Euro – diese wird sogar vierzehnmal im Jahr ausgezahlt. Dagegen erhält der Durchschnittsrentner in Deutschland nur 942 Euro.
Ein weiterer Vorteil für Ruheständler in Österreich ist, dass es dort eine vergleichsweise hohe Mindestrente gibt. Alleinstehende erhalten 909 Euro. Wenn mindestens 30 Beitragsjahre vorliegen, sogar 1.022 Euro. Auch die Erwerbminderungsrente ist in „Felix Austria“ rund 65 Prozent höher als in Deutschland.
Dafür ist der Beitragssatz im südlichen Nachbarland höher als in Deutschland. Dort liegt er bei 22,8 Prozent, hier bei 18,7. Das wird allerdings durch höhere Beitragssätze der Arbeitgeber kompensiert. Während in Deutschland die Beiträge paritätisch gezahlt werden, übernimmt in Österreich der Arbeitgeber 12,55 und der Arbeitnehmer 10,25 Prozent der Rentenbeiträge.
In Österreich sind auch Beamte und Selbstständige pflichtversichert
Die finanzielle Sicherung der Alterssicherung in Österreich ist auf mehr Schultern verteilt als in Deutschland. Denn dort zahlen auch Selbstständige in die Rentenkassen ein. Insgesamt gibt es in Österreich mehr Beitragszahler pro Rentner, unter anderem, so Experten, wegen der höheren Immigrationsrate. Trotzdem gibt Österreich rund 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Alterssicherung aus, in Deutschland sind es nur 10 Prozent.
Zwar gibt es in Österreich ein gesondertes System für Beamte, aber die Höhe der Bezüge wurde an die anderer Beschäftigter angepasst. In Deutschland dagegen erhalten Beamte weitaus höhere Pensionen als andere Beschäftigte. Ihre Pension beträgt ungefähr 70 Prozent des letzten Bruttogehalts. Im Jahr 2015 betrug die durchschnittliche Pension ehemaliger Beamter in Deutschland sage und schreibe 2.940 Euro.
Sinkendes Rentenniveau: Schröder-Reformen verantwortlich
Auch in Deutschland garantierte die gesetzliche Rentenversicherung bis etwa zum Jahr 2001 eine angemessene finanzielle Sicherheit im Alter. Doch die Riester-Reformen der Schröder-Regierung senkte das Rentenniveau durch eine Änderung der Rentenanpassungsformel. Fortan ermunterte die Bundesregierung Arbeitnehmer dazu, die zukünftige finanzielle Lücke durch private Versicherungen auszufüllen. Damals herrschte noch der neoliberale Glaube, dass sich auf den Finanzmärkten höhere Renditen erzielen lassen würden. Zudem glaubte keiner der politischen und wirtschaftlichen Hohepriester, dass nur wenige Jahre später eine weltweite Finanzkrise das Banken- und Versicherungswesen erschüttern würde, verbunden mit einer drastischen Senkung der Zinsen.
Im Unterschied dazu hielten die Österreicher an ihrer gesetzlichen Altersversorgung fest. Auch wenn es Vorstöße aus der Politik gab, neoliberale Reformen durchzuführen, konnte heftiger Widerstand aus der Gesellschaft diese abwehren. Insgesamt sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Österreichs denen in Deutschland vergleichbar. Daher zeigt sich, dass das defizitäre Rentensystem in Deutschland allein das Resultat bewusster politischer Entscheidungen der Eliten ist – und somit auch wieder umkehrbar.
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