Von Olga Samofalowa
Diese Woche kam es zu einem starken Rückgang der weltweiten Ölpreise. Brent fiel am Mittwoch um fast 4 Prozent. Auslöser war die Entscheidung der OPEC, ihre Prognosen zu ändern. Das ganze Jahr über sprach die Organisation von einer Erdölknappheit, weshalb sie sich zu einer Erhöhung der Förderquoten entschloss. Nun ist dort jedoch von einem Überangebot an Rohöl die Rede. Die OPEC rechnet für das dritte Quartal mit einem Überschuss von 500.000 Barrel pro Tag, während im letzten Monat noch ein Defizit von 400.000 Barrel pro Tag prognostiziert wurde.
Gleichzeitig veröffentlichte die Internationale Energieagentur (IEA) einen Bericht, in dem Experten ihre Prognosen für das Angebot und die Nachfrage nach Erdöl für die Jahre 2025 und 2026 nach oben korrigierten.
Warum sah die OPEC fast das ganze Jahr über so hartnäckig einen Ölengpass auf dem Markt? Erstens gingen die OPEC-Experten davon aus, dass niedrige Preise und infrastrukturelle Beschränkungen die US-amerikanischen Schieferölunternehmen daran hindern würden, ihre Förderung deutlich zu steigern, sagt Jekaterina Galejewa, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Labor für Branchenmärkte und Infrastruktur des Gaidar-Instituts für Wirtschaftspolitik. Die USA, die kein OPEC-Mitglied sind, verzeichneten jedoch einen Anstieg der Förderung. Die Expertin fügt hinzu:
"Andererseits kann die OPEC+ als dominantes Kartell ihre Prognosen als Instrument zur Steuerung der Markterwartungen nutzen. Die Veröffentlichung von Daten über den bevorstehenden Mangel kann zur Bildung entsprechender Stimmungen und zur Aufrechterhaltung eines für die Mitgliedsländer optimalen Preisniveaus beitragen."
Tatsächlich wären die Preise früher und stärker gefallen, wenn OPEC+ seit Anfang 2025 Prognosen über ein Überangebot auf dem Markt abgegeben hätte, meint Igor Juschkow, Experte der Finanzuniversität der russischen Regierung und des russischen Fonds für nationale Energiesicherheit. Die OPEC habe mit ihren Prognosen die Ölpreise so gut wie möglich gestützt. Für die OPEC sei es wirtschaftlich vorteilhafter, den größten Teil des Jahres von einem Angebotsmangel zu sprechen und damit die Ölpreise in die Höhe zu treiben, um dann gegen Ende des Jahres logischerweise die Realität anzuerkennen – auf dem Markt hat sich tatsächlich ein Überschuss gebildet, sagt der Experte.
Juschkow erinnert daran, dass es auf dem Markt zwei Akteure gibt, die Prognosen für Erdöl erstellen und damit einen realen Einfluss auf die Preise haben. Dies sind die Internationale Energieagentur, die ein Interesse daran hat, die Ölpreise zu drücken, da sie auf der Seite der Verbraucher steht, und die OPEC, für die es vorteilhafter ist, die Notierungen zu stützen, da sie auf der Seite der Produzenten steht. Genau deshalb spielt die Internationale Energieagentur den Ölkäufern in die Hände und gibt Prognosen über einen Überschuss an Erdöl ab, während die OPEC genau das Gegenteil tut.
Die Realität sieht jedoch so aus, dass die Welt tatsächlich mit einem Überangebot an Öl konfrontiert ist. Und als einer der Hauptverantwortlichen dafür werden die USA genannt. Stanislaw Roginski, Doktor der Wirtschaftswissenschaften und Gastdozent an der Higher School of Economics in Moskau, erklärt dazu:
"Die USA haben mit ihrer Förderung bereits mehrfach die Marktkonfiguration verändert. In diesem Jahr stieg die Förderung in den USA um 410.000 Barrel pro Tag. Das Angebot stieg jedoch nicht nur aufgrund ihrer Förderung. Auch Kanada, Brasilien und Argentinien haben ihre Förderung erhöht – insgesamt um 360.000 Barrel pro Tag. Darüber hinaus haben einige OPEC+-Länder wie Nigeria, Libyen und Kasachstan ihre Förderung schneller gesteigert als in den Vereinbarungen zur Förderbegrenzung vorgesehen. Daher ist die Entstehung eines Überschussmarktes für Erdöl, der logischerweise zu einem Preisrückgang führt, das Ergebnis der Maßnahmen aller Marktteilnehmer und nicht nur der USA."
Was erwartet den Ölmarkt in Zukunft? Igor Juschkow ist der Ansicht, dass die Ölpreise unter moderaten Umständen letztlich im Bereich von 60 bis 65 US-Dollar pro Barrel bleiben könnten. Denn bei einem stärkeren Preisverfall würden die US-amerikanischen Schieferölproduzenten nicht in der Lage sein, ihr derzeitiges Fördervolumen aufrechtzuerhalten, sodass es zu einem Rückgang kommen würde. Das bedeutet, dass auch die Ölpreise wieder auf 60 US-Dollar zurückkehren würden. Vieles werde jedoch noch von den OPEC+-Ländern selbst abhängen. Bislang haben sie eine Pause bei der Senkung der Förderquoten eingelegt, aber ab Frühjahr 2026 könnten sie die Förderung wieder steigern, was die Preise nach unten drücken würde. Der Energieexperte sagt:
"Was die Nachfrage angeht, muss man abwarten, wie sich die Verhandlungen zwischen den USA und Indien sowie zwischen den USA und China entwickeln. Wenn es wieder zu Spannungen und einem neuen Handelskrieg kommt, müssen weniger Waren transportiert werden – und die Ölpreise werden sinken. Andererseits würde ein Angriff der USA auf Venezuela oder Nigeria die Ölpreise in die Höhe treiben."
Stanislaw Roginski meint, dass ein neuer Krieg der USA die Erdölpreise in die Höhe treiben würde. Er stellt fest:
"Für Russland ist der Rückgang der Ölpreise unter den Bedingungen der Fortsetzung der militärischen Sonderoperation ein kritischer Faktor, da dies zu einer Abwärtskorrektur der Preisobergrenze und damit zu Preisnachlässen für wichtige Abnehmer russischen Öls im Seeverkehr führen wird.
Daher ist Russland, so zynisch das auch klingen mag, derzeit daran interessiert, dass die USA ihre Drohungen gegenüber Venezuela und Nigeria wahr machen. Dies würde dazu führen, dass für einen bestimmten Zeitraum 2 bis 2,5 Millionen Barrel pro Tag vom Weltmarkt verschwinden und die Preise wieder auf ein Niveau von 80 bis 90 US-Dollar pro Barrel oder sogar darüber steigen würden.
Dies würde objektive Voraussetzungen für eine Anhebung der Preisobergrenze schaffen und die Höhe der den Käufern gewährten Rabatte verringern. In diesem Fall würden die Öl- und Gaseinnahmen des russischen Haushalts einen deutlichen Anstieg verzeichnen und zusätzliche Stabilität für den erfolgreichen Abschluss der militärischen Sonderoperation geschaffen werden."
Allerdings könnte sich auch ohne neue Kriege der USA mit anderen Ländern ein für Russland relativ günstiges Szenario ergeben. Jekaterina Galejewa hebt hervor:
"Das Basisszenario geht davon aus, dass die OPEC+ ihre Politik der 'manuellen Steuerung' des Marktes fortsetzt und die freiwilligen Kürzungen zum Schutz der Preisspanne verlängert. Die Förderung in den USA steigt weiter, stabilisiert sich aber allmählich. Dadurch stabilisiert sich auch die Inflation weltweit relativ."
Russland halte seinen Haushalt innerhalb der geplanten Parameter und bewahre damit die Kurs- und Inflationsstabilität, schließt die Expertin.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 14. November 2025 auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung "Wsgljad".
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