Von Olga Samofalowa
Der Rat der Europäischen Union (EU) hat die schrittweise Einstellung der Einfuhr von russischem Erdgas beschlossen. Außerdem wurde die Anforderung eingeführt, dass die Herkunft des Gases vor seiner Einfuhr in das Gebiet der EU-Länder nachgewiesen werden muss. Die neuen Maßnahmen treten am 1. Januar 2026 in Kraft.
Es ist jedoch eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2028 vorgesehen. Die Gaslieferungen im Rahmen bestehender kurzfristiger Verträge sollen ab dem 17. Juni 2026 und langfristiger Verträge ab Januar 2028 eingestellt werden. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission liefert Russland im Rahmen kurzfristiger Verträge etwa zwölf Milliarden Kubikmeter Gas und im Rahmen langfristiger Verträge 24 Milliarden Kubikmeter.
Während der Übergangsphase gelten für russisches Gas zusätzliche Bedingungen: Nun müssen Informationen über das Datum und die Laufzeit der Verträge, die Liefermengen und alle in den Verträgen vorgenommenen Änderungen bereitgestellt werden. Igor Juschkow, Experte der Finanzuniversität der russischen Regierung und des russischen Fonds für nationale Energiesicherheit, meint:
"Die neuen Anforderungen zielen darauf ab, Zugang zu Verträgen und mehr Informationen über Handelsdokumente zu erhalten. Dies ermöglicht es den Behörden, zu verstehen, wann ein Lieferverbot verhängt werden kann und wer anschließend überwacht werden muss, ob er den Kauf russischen Gases eingestellt hat oder nicht. Die EU möchte mehr Kontrolle über den europäischen Gasmarkt erlangen."
Unter anderem könnte diese Überprüfung der Dokumente darauf abzielen, den Weiterverkauf russischen Gases durch Dritte zu verhindern. Juschkow sagt:
"So war es beispielsweise in Bulgarien. Das Land hat sich geweigert, direkt von Gazprom zu kaufen, bezieht sein Gas jedoch von verschiedenen Händlern, vor allem aus der Türkei. Im Grunde genommen handelt es sich um dasselbe russische Gas, aber es gelangt über Zwischenhändler nach Bulgarien. Um dies zu verhindern, wollen die Europäer die gesamte Lieferkette überwachen."
Derzeit liefert Russland über die TurkStream-Pipeline jährlich 15 bis 17 Milliarden Kubikmeter Gas in die EU. Wenn die EU diese Lieferungen verbietet, kann Russland dann weiterhin diese Mengen unter dem Deckmantel der Türkei verkaufen? Alexander Frolow, stellvertretender Generaldirektor des Instituts für Nationale Energie und Chefredakteur des Branchenmediums InfoTEK, erklärt:
"Die Türkei kann eine positive Rolle bei der Aufrechterhaltung der aktuellen Mengen an Pipelinegas im Westen spielen. Dazu wäre es jedoch wünschenswert, einen Gasumschlagplatz zu schaffen, der als neue Handelsplattform für den europäischen Gasmarkt dienen würde. Theoretisch könnte die Türkei die aus Russland kommenden Gasleitungen formal zur Versorgung des Binnenmarktes nutzen und die aus anderen Quellen bezogenen Mengen wieder exportieren. In diesem Fall stellt sich jedoch unweigerlich die Frage nach dem Preisunterschied zwischen importiertem und exportiertem Erdgas. Die europäischen Behörden werden im Allgemeinen bestrebt sein, russische Mengen von ihrem Markt fernzuhalten."
Juschkow merkt jedoch an, dass die EU beim Reexport russischen Dieselkraftstoffs über die Türkei ein Auge zudrückt. Ankara versichert, dass es selbst russischen Diesel verbraucht und den Europäern seinen eigenen Diesel verkauft, der aus russischem Öl hergestellt wird. Und die EU ist mit dieser Situation zufrieden. Wird es beim Erdgas genauso sein? Juschkow meint:
"Es wird wahrscheinlich nicht gelingen, alle 15 bis 17 Milliarden Kubikmeter, die über die TurkStream-Pipeline geliefert werden, über die Türkei weiterzuverkaufen, aber es könnte möglich sein, einen Teil davon auf diese Weise unterzubringen. Die Frage ist, wie die Situation auf dem Markt zum Zeitpunkt der Einführung des offiziellen Verbots für langfristige Verträge aussehen wird, das für 2028 erwartet wird."
Es gebe jedoch noch eine weitere Gefahr. Das ab dem 1. Januar 2026 geltende Verbot des Transits russischen Gases durch das Gebiet der EU könnte sich als Zeitbombe erweisen, da es bedeuten könnte, dass Ungarn und die Slowakei nicht erst 2028, sondern bereits 2026 von unserer Gasversorgung abgeschnitten werden, so der Experte. Alles werde davon abhängen, wie dies im offiziellen Dokument formuliert wird.
Was das russische Flüssiggas (LNG) betrifft, das aus dem Projekt Jamal LNG in viele europäische Länder – Frankreich, Belgien, Niederlande, Portugal, Spanien – geliefert wird, ist es schwieriger, Informationen zu Verträgen und Mengen zu finden. Denn Flüssiggas wird ursprünglich von Händlern und nicht vom Hersteller verkauft. Juschkow nennt als Beispiel TotalEnergies, das russisches Gas von Jamal LNG kauft und an verschiedene europäische Abnehmer weiterverkauft. Das Portfolio des Unternehmens umfasst jedoch nicht nur russisches Gas, sondern es kauft auch anderes LNG und hat eine große Anzahl von Abnehmern.
Für Russland ist der Schlag gegen LNG nicht so schmerzhaft wie gegen die Lieferungen über Pipelines. Juschkow erklärt:
"Erstens lässt sich LNG leicht auf alternative Märkte umleiten. Natürlich wird sich die Marge der Verkäufe von Jamal LNG dadurch verringern, da die Transportkosten steigen werden. Zweitens wird sich für den Staat praktisch nichts ändern, da es keine Ausfuhrzölle gibt und viele Steuern auf null gesetzt oder gesenkt wurden."
Für die Lieferungen über Pipelines werde es jedoch Konsequenzen geben. Der Experte sagt:
"Wie schon in der Vergangenheit wird Gazprom nicht in der Lage sein, die gesamten Mengen an Pipelinegas umzuleiten, sondern muss die Gasförderung drosseln. Darunter leiden werden die Dividenden, darunter auch die Einnahmen des Staates als Aktionär. Der Staat wird außerdem die Ausfuhrzölle aus dem Gasverkauf verlieren."
Dabei pumpen alle anderen Gaslieferanten der EU bereits mit maximaler Kapazität, sodass russisches Pipelinegas durch LNG ersetzt werden muss, fügt der Experte hinzu. Das bedeutet, dass die Europäer noch stärker von LNG und vom Wettbewerb mit dem asiatischen Markt um LNG abhängig werden. Denn das produzierte LNG könne sowohl nach Europa als auch nach Asien geliefert werden und werde an den Käufer gehen, der mehr bezahlt.
Europa rechnet mit einer Reihe von Inbetriebnahmen neuer LNG-Anlagen in den USA, Katar und Australien ab 2028. Wenn die EU den Prozess jedoch beschleunigt und die Lieferungen nach Ungarn und in die Slowakei bereits im nächsten Jahr einstellt, ist es laut Juschkow fraglich, ob die neuen LNG-Mengen rechtzeitig auf den Weltmarkt gelangen werden. All dies schaffe in jedem Fall die Voraussetzungen für einen Preisanstieg und ein Anhalten der hohen Preise.
Europa verliert einen zuverlässigen Gaslieferanten, der in den kommenden Jahren für eine Erholung der Nachfrage sorgen könnte. Aus Sicht der Europäischen Kommission ist der Verzicht auf russisches Gas jedoch nur ein erster Schritt, um Gas aus der Energieversorgung insgesamt zu verbannen. Die Bedingungen des Grünen Deals sehen vor, dass bis 2050 vollständig auf fossile Energieträger verzichtet wird. Frolow stellt fest, dass diese Pläne grundsätzlich nicht realisierbar seien. Die Europäische Union untergrabe damit ihre Energiesicherheit und lege den Grundstein für neue Energiekrisen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 21. Oktober 2025 auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.
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