Von Natalia Dembinskaja
Die russische Zentralbank hat auf ihrer Juli-Sitzung den Leitzins gleich um zwei Punkte herabgesetzt. Zum ersten Mal seit vielen Monaten wurde dieser Parameter unter die 20-Prozent-Schwelle gesenkt. Worauf stützt sich diese Entscheidung der Finanzbehörde, und ist mit einer weiteren Lockerung der Geldpolitik zu rechnen?
Dämpfung der Inflation
Am 25. Juli setzte die Leitung der russischen Zentralbank den Leitzins um 200 Basispunkte auf 18 Prozent herab. Einen Monat zuvor hatte sie ihn von seinem historischen Höchststand von 21 Prozent, der seit Ende Oktober 2024 konstant geblieben war, auf 20 Prozent gesenkt.
Es handelt sich hierbei um das wichtigste Instrument zur Dämpfung des Preisanstiegs. Von dem Zielwert von vier Prozent pro Jahr ist man noch weit entfernt. Wie die Finanzbehörde jedoch feststellte, nimmt der Inflationsdruck, einschließlich des anhaltenden Drucks, schneller als prognostiziert ab. Das Wachstum der Binnennachfrage verlangsamt sich. Die Wirtschaft kehrt zu einem ausgewogenen Kurs zurück.
Nach Angaben der Zentralbank sank die saisonbereinigte Jahresinflationsrate im zweiten Quartal auf 4,8 Prozent. Im ersten Quartal hatte sie noch bei 8,2 Prozent gelegen. Die Basisinflation verlangsamte sich auf 4,5 Prozent.
Jewgeni Schatow, Partner bei Capital Lab, erläutert: "Aufgrund der straffen Geldpolitik sind die Konsum- und Investitionsaktivitäten zurückgegangen. Darüber hinaus wurde der Rubel deutlich stärker und importierte Waren sind billiger geworden."
All dies liegt im Rahmen der Konsensprognose: Die Analytiker prognostizierten einen Rückgang um 100 bis 200 Basispunkte. Das Ergebnis liegt also am oberen Rand der Erwartungsspanne. Einerseits deutet dies auf einen Übergang zu einer lockeren Geldpolitik hin. Andererseits werden die Inflationsziele weiterhin streng kontrolliert.
Wie die Zentralbank präzisierte, habe sich bislang noch keine nachhaltige Tendenz zu sinkenden Inflationserwartungen herausgebildet. Daher werde die Finanzbehörde "die für die Rückkehr der Inflation zum Zielwert im Jahr 2026 erforderlichen straffen geldpolitischen Bedingungen beibehalten".
Kredite und Einlagen
Die Kreditbedingungen werden sich nun sowohl für Unternehmen als auch für Haushalte etwas entschärfen.
Schatow weist darauf hin: "Die Kreditvergabe an Unternehmen werden zunehmen, und auch im Privatkunden- und Hypothekenbereich ist mit einer vorsichtigen Normalisierung der Kreditvergabe zu rechnen. Dabei könnten die Banken ihre Anforderungen an Kreditnehmer etwas lockern, zumindest was nicht preisbezogene Kriterien betrifft."
Gleichzeitig werden die Einlagenzinsen sinken, vor allem bei kurzfristigen Einlagen. Renditen von 23 bis 25 Prozent, wie Ende 2024, sind nicht mehr zu erwarten.
Der Experte empfiehlt, in einer solchen Situation die Verzinsung langfristiger Einlagen (zwölf Monate und länger) zu fixieren, solange die Banken 16 bis 18 Prozent anbieten – dies ist der Höhepunkt vor einem weiteren Rückgang.
Die Zentralbankchefin Elwira Nabiullina wies jedoch darauf hin, dass Einlagen für russische Bürger noch lange attraktiv bleiben würden, da ihre Rendite weiterhin über der Inflationsrate liege.
Die Kreditvergabe wird vorerst weiterhin unter Druck stehen. Die Experten erwarten einen echten Aufschwung der Verbraucherkredite und Hypotheken bei einem Leitzins von zwölf bis 14 Prozent. Aber bereits bei einem Leitzins von 16 Prozent beginnt der Markt, wieder lebhafter zu werden, und nach Meinung der meisten Analytiker scheint dieser Wert bis zum Jahresende durchaus realistisch.
Straffheit bleibt bestehen
Nach Prognosen der Zentralbank sollte die Inflation angesichts der aktuellen Geldpolitik in diesem Jahr auf sechs bis sieben Prozent sinken und 2026 wieder auf den Zielwert von vier Prozent zurückkehren.
"Wir unternehmen alle erforderlichen Maßnahmen und senken den Leitzins so, dass es nicht zu einer Inflationsspirale kommt. Allerdings sind wir natürlich besorgt über die erhöhten Inflationserwartungen, darauf weisen wir direkt hin", erklärte Nabiullina nach der Sitzung des Verwaltungsrats der Zentralbank.
Das Basisszenario geht von einem durchschnittlichen Leitzins im Bereich von 18,8 bis 19,6 Prozent p. a. in diesem Jahr und von zwölf bis 13 Prozent im Jahr 2026 aus.
Gleichzeitig schließen Analytiker nicht aus, dass es unter günstigen Bedingungen zu einer dynamischeren Entwicklung kommen könnte.
Spartak Sobolew, Leiter der Abteilung für Investitionsstrategien bei Alfa-Forex, erläutert: "Wenn die Wirtschaft tatsächlich einen ausgewogenen Wachstumskurs einschlägt, kann man bis zum Jahresende mit 15 bis 16 Prozent rechnen."
Dmitri Alexandrow, Leiter der Abteilung für analytische Forschung bei AVI Kapital, fügt hinzu: "Wir rechnen mit einer Fortsetzung [der Leitzinssenkung] im September, Oktober und Dezember. Das würde dann 15 Prozent ergeben. Die Einschätzung der Inflationsverlangsamung durch die Zentralbank übertrifft die Erwartungen."
Auswirkungen auf den Rubel
Der Beginn der Lockerung der Geldpolitik könnte eine gewisse Abschwächung des Rubelkurses mit sich bringen. Wie Sobolew jedoch anmerkt, hat sich der Devisenmarkt in der zweiten Jahreshälfte bereits darauf vorbereitet – mit dem Übergang in die "Sommer"- Handelsspanne überschritten die Kurse des US-Dollar, des Euro und des Yuan die Schwellenwerte von 77, 88 bzw. zehn Rubel.
Es gibt jedoch auch positive Faktoren: Die russische Währung wird durch eine gute Handelsbilanz (233 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024) sowie die Volatilität verringernde Kapitalverkehrsbeschränkungen gestützt. Viel wichtiger ist jedoch die Geopolitik. Insbesondere könnten Fortschritte im Verhandlungsprozess einen starken Impuls geben.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 25. Juli 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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