Von Nadeschda Sarapina
Unerwarteter Aufschwung
Während Großbritannien und die USA russisches Nickel bekämpfen, steigert die EU ihre Importe. Nach Angaben von Eurostat belegte das Metall aus Russland bei europäischen Importen den zweiten Platz mit einem Einkaufswert von 107,6 Millionen Euro, was einen Höchstwert seit November 2023 darstellt. Dahinter folgt britisches Nickel, für das 63,9 Millionen Euro ausgegeben wurden, während die Spitze von US-amerikanischem Nickel mit 117,6 Millionen Euro belegt wird.
Binnen eines Jahres nahmen die Lieferungen des Metalls aus Russland um ein Drittel zu, und Russlands Anteil am europäischen Import stieg von 18 auf 23 Prozent an.
Es gibt drei Käufer: Tallinn, Amsterdam und Helsinki. Die Einfuhren Estlands sind mit nur 103.000 Euro gering, während die Niederlande die Einkäufe um ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr auf 35,3 Millionen Euro steigerten. Am meisten erwarb Finnland: Trotz der aggressiven Rhetorik seiner Politiker nahm der Nickelimport innerhalb des Jahres um das 1,4-Fache auf 72,3 Millionen Euro zu. Zuvor hatte die finnische Außenministerin Elina Valtonen in einem Interview für die Zeitung Helsingin Sanomat behauptet, dass ihr Land jegliche Einschränkungen von Lieferungen aus Russland unterstütze und ein völliges Embargo auf Nickel nicht ablehne.
Doch im Falle eines Importverbots wird Finnland am stärksten beeinträchtigt, bemerkt der unabhängige Industrieexperte Leonid Chasanow. Er erklärt:
"Dies wird zu Massenentlassungen von Angestellten in der Schwarzmetallurgie und damit zusammenhängenden Branchen, zur Abnahme von Steuereinkünften und zum Anstieg sozialer Spannungen führen. Moskau sorgt für 80 Prozent der Nickellieferungen, die für die Produktion von rostfreiem Stahl sowie von Legierungen für Flugzeug- und Raketenbau benötigt werden."
Wertvolle Ware
Auch wenn Nickel kein Seltenerdmetall ist, ist es nicht besonders verbreitet, allerdings für zahlreiche Industriebranchen – von Metallurgie bis zur Mikroelektronik – kritisch wichtig. Daher zählt es für die EU zu den strategisch wichtigen Gütern, betonen Experten. Sergei Sainullin, Dozent der Wirtschaftsfakultät der Russischen Universität der Völkerfreundschaft, erklärt:
"Der Kurs der EU auf grüne Energie lässt die Nachfrage nach Nickel nur noch weiter ansteigen. Es ist zur Herstellung von Elektroautos und Solarmodulen notwendig. Die von Europa angekündigte ökologische Wende ist ohne eine Steigerung von Nickellieferungen undenkbar. Nickel aus den USA zu kaufen und zu transportieren, ist möglich, allerdings teuer, also werden die ohnehin hohen Kosten der sauberen Energie und Elektroautos nur noch weiter steigen."
Alternativen gibt es wenige. Theoretisch könnte Europa auf indonesisches Nickel umsteigen, doch unter Berücksichtigung der Distanz und der Transportkosten würde ein solcher Rohstoff sprichwörtlich "goldwert" – also extrem teuer – zu stehen kommen. Darüber hinaus ist die Abhängigkeit von Nickelimporten aus asiatischen Ländern für die EU äußerst gefährlich – sobald diese den lokalen Markt erobert haben, werden sie die Kontrolle über die Preise erlangen und könnten die heimische Metallindustrie zum Einsturz bringen, warnt Chasanow.
Im Falle eines Embargos seitens der EU werden die Nickelkosten um etwa fünf Prozent steigen, schätzt Chasanow. Der Experte fügt hinzu:
"Allerdings wird dies nicht besonders lange dauern, denn der Verbrauch der EU ist vergleichsweise gering. Die Weltfabrik China konsumiert viel mehr und ist der größte Abnehmer der russischen Lieferungen."
Gespielte Strenge
Aufgrund des technischen Fortschritts steigt die Nachfrage nach Nickel schneller als dessen Produktion, sagt der Finanzanalytiker Michail Beljajew. Die radioelektronische und die Computerindustrie verbrauchen große Mengen dieses Metalls, insbesondere für die Herstellung von Nickel-Cadmium-Akkumulatoren und speziellen Legierungen. Die EU hat ihre eigene Außenwirtschaftspolitik nur schlecht unter Kontrolle, und daher könnten die Vorräte aus Angst aufgestockt werden, dass russische Unternehmen von neuen Sanktionen betroffen sein könnten, meint der Experte.
Ein begrenzter Kreis von Käufern sagt nichts über die Verbreitung des russischen Nickels auf dem Kontinent aus. Nach Ansicht von Beljajew wird es weiterverkauft. Er erklärt:
"Trotz der Tatsache, dass die finnische Radioelektronik- und Computerindustrie recht gut entwickelt ist, ist das Land nicht groß und industriell genug, um den gesamten Rohstoff selbst zu verbrauchen. Da Nickel nicht verdirbt und der Verbrauch relativ sparsam ist, könnten die Finnen durch den Weiterverkauf der Ressource an ihre Nachbarn gut verdienen. Zumal die Preise dafür auch ohne Verbote und Zölle regelmäßig steigen."
Die Länder des Kollektiven Westens können so viel sie wollen über ein umfassendes Verbot sprechen, doch niemand wird harte Beschränkungen für strategische Güter einführen. Die jüngsten Sanktionspakete konzentrieren sich auf die Ausweitung bereits bestehender Maßnahmen. Selbst beim Verzicht auf russische Energieträger geht man vorsichtig vor: Seit 2022 konnten bis heute keine klaren Maßnahmen formuliert werden.
Experten sind sich einig, dass Sanktionen gegen russisches Nickel für die EU im Hinblick auf die Sicherung wirtschaftlicher und technologischer Souveränität absolut nachteilig wären – und daher so lange wie möglich aufgeschoben werden.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 26. Mai bei RIA Nowosti.
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