Von Gleb Prostakow
Der Ölhandel wird in den globalen Konfrontationen ab dem Jahr 2025 stark an Bedeutung gewinnen. Die Versuche der OPEC+, die Ölpreise innerhalb der Spanne von 80 bis 100 US-Dollar pro Barrel zu halten, werden mit der nachlassenden weltweiten Ölnachfrage aufgrund der Abkühlung der Volkswirtschaften in den USA und der EU sowie dem nachlassenden Aufholwachstum Chinas nach der Aufhebung der COVID-Beschränkungen konfrontiert.
Die Ölpreise würden höchstwahrscheinlich schon jetzt fallen, wenn das erweiterte Kartell nicht regelmäßig seine Produktionsbeschränkungen verlängert hätte. Der OPEC+ ist es bisher gelungen, die Ölpreise niedrig zu halten. Ob die Ressourcen der Organisation aber ausreichen, um künftigen Schocks standzuhalten, ist schwer zu sagen.
Erstens ist das Öl bereits zu einem Element des innenpolitischen Kampfes in den USA geworden. So wirft Donald Trump der OPEC regelmäßig vor, die Preise im Interesse seiner Rivalin Kamala Harris niedrig zu halten. Für den Fall, dass er an die Macht kommt, verspricht Trump, die Ölproduktion und -exporte in den USA zu erhöhen und gleichzeitig die weltweiten Notierungen zu senken. Es ist schwer zu sagen, wie sich die künftige Regierung im Weißen Haus verhalten wird, aber die Ölpreise haben schon oft als grundlegendes Instrument gedient, um sowohl Gegner als auch Partner der Vereinigten Staaten in die Knie zu zwingen.
Es liegt auf der Hand, dass sich niedrigere Preise negativ auf das nach China orientierte Saudi-Arabien sowie auf Russland und Iran auswirken könnten, was angesichts des sich ausweitenden Konflikts im Nahen Osten von besonderer Bedeutung ist.
Zweitens könnte die geringere Nachfrage nach Öl die Disziplin innerhalb des Kartells weiter schwächen. Mit der Verlängerung der Vereinbarung über Produktionskürzungen bis zum Jahr 2025 hat die OPEC+ zum ersten Mal seit mehreren Jahren eine Erhöhung der Gesamtproduktionsquote um 300.000 Tonnen pro Tag (hauptsächlich zugunsten der Vereinigten Arabischen Emirate) zugelassen. Die Herausforderungen des Jahres 2025 könnten diesen Optimismus zunichtemachen. Dann würde sich als notwendig erweisen, von Quotenerhöhungen zu neuen Kürzungen überzugehen.
Gleichzeitig wurde der Zyklus der Quotenreduzierung verlängert – die OPEC+ hat ihre Produktion seit dem Jahr 2020 kontinuierlich gesenkt, was einige Mitglieder der Organisation bereits belastet. So rebellierten Angola und Nigeria im Jahr 2023 und forderten für sich selbst eine Erhöhung der Quoten. Angola kündigte sogar an, die Organisation verlassen zu wollen. Die OPEC wird daher wahrscheinlich mit neuen Revolten konfrontiert.
Auch die Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen, die Anwendung verschiedener aufschiebender Bedingungen und die mühsame Überwachung ihrer Erfüllung haben zugenommen. Die Kürzungen werden auf Tagesbasis gemessen, aber aus offensichtlichen technischen Gründen wird die Ölproduktion nicht sofort angepasst. Oft werden Abschaltungen wegen geplanter oder ungeplanter Wartungsarbeiten als Kürzungen ausgegeben, doch wenn diese Tricks einmal durchschaut sind, tritt das "überschüssige" Öl über die Quote zutage. Unter dem Druck der steigenden Fördermengen in den USA sowie in Ländern wie Brasilien, Norwegen und Kanada wird es für die OPEC+ immer schwieriger, das empfindliche Gleichgewicht zu halten. Allerdings ist die Fähigkeit, die Ölproduktion in den USA (im Gegensatz zur Gasproduktion) rasch zu steigern, ebenfalls fraglich.
Die Prognosen sind noch einmal eine andere Geschichte. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt die Aussichten für die Ölnachfrage wesentlich pessimistischer ein als die OPEC. So könnte es der IEA zufolge in den kommenden Jahren zu einem Anstieg der freien Ölförderkapazitäten kommen, die aufgrund eines Angebotsmangels ungenutzt bleiben. Generell prognostiziert die Organisation den Höhepunkt der weltweiten Ölnachfrage für das Jahr 2029 (mit 105,4 Millionen Barrel pro Tag). Von da an werden grüne Energien und der Verkehr ihren Beitrag leisten und die Nachfrage wird zurückgehen. Andere Organisationen sind dagegen der Meinung, dass die Nachfrage nach dem schwarzen Gold noch mindestens einige Jahrzehnte lang steigen wird.
Diese Unsicherheit sorgt für große Nervosität auf dem wichtigsten Markt der Welt. Investitionen in die Ölförderung sind langfristig angelegt, und Prognosen sind hier wichtig. Die geopolitische Prämie auf den Ölpreis kann sowohl sofort steigen als auch schnell fallen. Heute wird diese Prämie zwar größtenteils durch die Lage im Nahen Osten bestimmt; morgen könnte sie sich jedoch aufgrund der Maßnahmen der US-Regierung oder anderer Ereignisse verdoppeln oder verzehnfachen. Auch das Gegenteil ist möglich: Nicht realisierte Risiken könnten durch niedrigere Notierungen wieder wettgemacht werden.
Eine derart hohe Volatilität des Marktes, der diese Volatilität seit jeher nicht mag (und gegen welche die OPEC überhaupt gegründet wurde), stellt eine große Belastung dar.
Für Russland ist jedoch nicht nur die Stabilität, sondern auch die Effizienz der OPEC wichtig. Während die guten Beziehungen zu Saudi-Arabien bisher der Schlüssel zu einer stabilen Partnerschaft waren, erfordert die aktuelle Situation immer engere bilaterale Kontakte mit anderen wichtigen Mitgliedern der Organisation, sowohl im Nahen Osten als auch darüber hinaus. Es ist Zeit für eine Ölkrisen-Diplomatie.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 30. August 2024 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Gleb Prostakow ist ein russischer Wirtschaftsanalyst.
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