von Hans-Ueli Läppli
Für eine Weile war die wirtschaftliche Lage für Anleger kein Anlass zur Besorgnis. Themen wie Leitzinssenkungen und Künstliche Intelligenz (KI) standen im Vordergrund. Doch nun hat sich dies in rasanter Geschwindigkeit geändert.
Eine giftige Mischung aus schwachen US-Konjunkturdaten, enttäuschenden Abschlüssen im Technologiesektor und steigenden Zinsen in Japan sorgt für schlechte Stimmung. Zudem könnte eine geopolitische Eskalation neuen Inflationsdruck erzeugen.
An den weltweiten Börsen dominieren die Sorgen, und die vorherige Gelassenheit ist verflogen. Anstatt über mögliche Zinssenkungen in den USA zu jubeln, überwiegt nach dem enttäuschenden Arbeitsmarktbericht am Freitag die Angst vor einer Rezession in den USA und deren Auswirkungen auf die globale Wirtschaft.
Die europäischen Aktienmärkte notieren deutlich schwächer, der deutsche Leitindex Dax verlor 2,4 Prozent. Zuvor hatte der japanische Nikkei 225 sogar 5,8 Prozent verloren. Der S&P 500 sank am Freitag um 2,2 Prozent, während der Nasdaq 100 noch stärkere Verluste verzeichnete.
Zu den prominentesten Verlierern im DAX zählten RWE und Siemens Energy, die Einbußen von 7,9 beziehungsweise 7,5 Prozent hinnehmen mussten. Der europäische Bankenindex sank um beachtliche 4,3 Prozent und verzeichnete somit einen Wochenverlust von insgesamt 7,8 Prozent.
Märkte stürzen nach schwachen US-Arbeitsmarktdaten ab
Schwache Konjunkturindikatoren, die japanische Zinspolitik und die Eskalation im Nahen Osten veranlassen die Anleger zu umfassenden Verkäufen.
Den Beginn der negativen Entwicklung markierte am Donnerstag der Chiphersteller Intel mit schlechten Zahlen und der Ankündigung, weltweit 17.500 Stellen zu streichen. Dies konnte die Anleger nicht davon überzeugen, dass eine rasche Erholung möglich ist. Das Unternehmen verlor bis zum frühen Freitagabend ein Drittel seines Wertes.
Auch Amazon enttäuschte mit einer Umsatzprognose, die hinter den Erwartungen zurückblieb.
Die Entwicklung bei Intel und Amazon nährt die Sorge, dass die gesamte US-Wirtschaft nicht so gesund ist, wie es in den zurückliegenden Monaten schien. Viele Anleger fragen sich, ob die Entscheidung der US-Notenbank Fed, den Leitzins bei 5,25 bis 5,5 Prozent zu belassen, ein Fehler war. Steigende Ölpreise verstärken diese Sorgen.
Tatsächlich sprechen einige Anleger bereits von einer möglichen Rezession in den USA. Die jüngsten Konjunkturdaten fielen schwächer aus als erwartet: Die Arbeitslosenzahlen stiegen auf ein fast einjähriges Hoch, die Produktionsaktivität ging stark zurück. Dennoch bezeichnete die Großbank UBS die Rezessionsängste in einem Bericht als "derzeit verfrüht".
Der Hype um Bitcoin und Nvidia-Aktien scheint zu erlahmen, und viele Anleger beginnen, sich von diesen riskanten Anlagen zu trennen. Die Krypto-Leitwährung Bitcoin hat einen beträchtlichen Wertverlust erlitten, was auf eine längst überfällige Korrektur hinweist. Die Zeiten für risikoreiche Investments werden zunehmend schwieriger.
Bitcoin, einst das Aushängeschild einer neuen Ära digitaler Währungen, zeigt nun Schwäche. Seit dem Jahreshoch von etwa 73.700 Dollar Mitte März hat der Bitcoin rund 15 Prozent an Wert verloren. Dieser Abwärtstrend hat sich in den vergangenen zwei Wochen verstärkt, und am Samstag fiel der Preis für einen Bitcoin zeitweise auf unter 61.000 Dollar.
Viele Beobachter in den USA gehen inzwischen davon aus, dass die Fed bei der nächsten Gelegenheit im September die Leitzinsen senken wird. Die Frage ist nur noch, wie stark – und ob dies nicht zu spät kommen wird.
Die Euphorie um Künstliche Intelligenz (KI) hat nachgelassen
Auch die Begeisterung für KI an den Börsen ist abgeflaut. Der Technologiesektor, der in den letzten Monaten erheblich zugelegt hatte, erlebt einen Rückschlag. Große Tech-Konzerne wie Nvidia, Microsoft und Alphabet, die als Hauptprofiteure des aktuellen KI-Booms galten, stehen nun unter Druck und werden zunehmend als Belastung wahrgenommen. Microsoft plant, in diesem Jahr 45 Milliarden Dollar in den Ausbau seiner KI-Fähigkeiten zu investieren, doch bisher tragen diese Investitionen kaum zur Gewinnentwicklung bei. Die hohen Erwartungen der Finanzgemeinde sind schwer zu erfüllen.
An den Black Monday vom 19. Oktober 1987, als der Dow-Jones-Index fast 23 Prozent verlor, reicht der aktuelle Einbruch zwar nicht heran. Dennoch herrscht große Nervosität. Der Volatilitätsindex (VIX), der als "Angstbarometer" der Börsen gilt, ist in den letzten vier Wochen um fast 70 Prozent gestiegen.
In Asien sackten die Börsen am Freitag deutlich ab, der Nikkei 225 verlor fast sechs Prozent. Auch der KOSPI in Südkorea, der Hang Seng in Hongkong und die chinesischen Märkte verzeichneten Verluste. Die Aktie des größten Chipherstellers der Welt, TSMC aus Taiwan, verlor sechs Prozent an Wert.
Die Stimmung an den Märkten bleibt fragil. Die Hoffnung auf eine weiche Landung der Wirtschaft nach den Zinserhöhungen könnte sich als Wunschtraum erweisen. In den letzten Tagen hat die Nervosität stark zugenommen, und viele Anleger fragen sich, ob sie rechtzeitig auf die richtige Strategie setzen.
Die einst schwindelerregenden Höhen scheinen einer ernüchternden Realität zu weichen, in der vorsichtigeres Investieren angesagt ist. Die Frage, ob die Zeit gekommen ist, Risiken zu reduzieren, drängt sich immer mehr auf, da die Stabilität und Rentabilität risikoreicher Anlagen in der aktuellen Marktlage zunehmend fraglich erscheinen.
Mehr zum Thema - Über die Hälfte der Kryptowährungen sind "ausgestorben"