Der Westen hat Zeit verloren: China wird Führung nicht einbüßen

Bereitet die Kommunistische Partei Chinas große Änderungen ihres Wirtschaftskurses vor? Die Erwartungen an das heute beginnende 3. Plenum des ZK sind hoch. Was ist zu erwarten und warum ist das Plenum weltweit Gesprächsthema?

Von Dmitri Kossyrew

Die Magie der Tradition wirkt vor unseren Augen, und das sogar im globalen Maßstab: Das dritte Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas wird wohl schicksalhaft werden, in erster Linie aus wirtschaftlicher Sicht. Es ist das dritte Plenum seit dem letzten Parteitag, der im Jahr 2022 stattfand. In den führenden internationalen Medien kann man aktuell zahlreiche Hinweise darauf finden, dass es stets die dritten Plenumsversammlungen des ZK waren, die die Wirtschaft auf Jahre hinaus umgekrempelt haben.

Das nun stattfindende dritte Plenum wurde schon letztes Jahr erwartet, aber immer wieder verschoben. Schließlich wurden die Kommentatoren ungeduldig und begannen, das Datum selbst "festzulegen", wobei sie sich auf ihre eigenen Quellen beriefen. Nun wurde das Datum offiziell bekannt gegeben – das Plenum wird am 15. Juli beginnen. Sofort setzte eine neue Flut von Kommentaren ein.

Was geschieht und warum hat es globale Bedeutung? Darauf gibt es mehrere Antworten, die von verschiedenen Interessengruppen gegeben werden. Die Investoren wollen wissen, wo sie ihr Geld anlegen sollen. Linke Ideologen, vor allem russische, beobachten mit angehaltenem Atem, in welche Richtung sich das Rad drehen wird: nach rechts oder besser nach links – in Richtung eines chinesischen Sozialismus.

Die meisten aber blicken aus einem anderen Grund nach Peking: Uns erwarten möglicherweise Entscheidungen, von denen das Schicksal des gesamten Planeten auf Jahre hinaus abhängen dürfte. Immerhin handelt es sich bei China um die erste Volkswirtschaft der Welt, die einem Drittel der Weltwirtschaft als Motor dient. Zudem handelt es sich um ein Land, das – von den Vereinigten Staaten – mit dem Ziel angegriffen wird, sein Wachstum zumindest zu bremsen. Wie wird Peking darauf reagieren, wie wird es sich verteidigen? Oder wird es vielleicht angreifen und wenn ja, wie?

Seit mehreren Jahren werden Informationsschlachten darüber geführt, ob sich Chinas Wirtschaft gut oder schlecht entwickelt. Jeder pickt sich dabei die Einzelbeispiele und Besonderheiten heraus, die zu seiner Überzeugung passen. Zum Beispiel Angaben zur Jugendarbeitslosigkeit oder zu den Problemen eines stark überhitzten Bausektors. Manchmal klammert man sich an monatliche Daten – warum sind die Exporte rückläufig? Peking antwortet mit grundsätzlicheren Zahlen. So wurde gerade errechnet, dass Chinas Außenhandel innerhalb von sechs Monaten um 6,1 Prozent (fast drei Billionen Dollar) gewachsen ist, wobei die Exporte um 6,9 Prozent zunahmen.

Auch finden sich Informationen über nicht quantitative, sondern qualitative Indikatoren für die chinesische Offensive auf den Weltmärkten: In den Vereinigten Staaten wurden im vergangenen Jahr acht Lizenzen für die Zusammenarbeit mit China im Bereich Kommunikation annulliert, und insgesamt haben (seit 2018, als der Kampf zwischen den beiden Volkswirtschaften ernsthaft begann) bereits 1.300 chinesische Unternehmen Lizenzen verloren. In der Zwischenzeit hat China als erstes Land der Welt ein 6G-Kommunikationssystem getestet, während der Westen immer noch darum kämpft, dass niemand 5G von einem Konkurrenten kauft. Es liegt also auf der Hand: Wer mit China zusammenarbeitet, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber jenen, die mit westlichen Unternehmen zusammenarbeiten. Und diese Tatsache sagt buchstäblich alles darüber aus, wie es um den Kampf um die führende Rolle in der Weltwirtschaft steht.

Wie ernst ist es dem Westen in diesem Kampf? Absolut ernst. Wir sprechen von einer Teilung der Welt in zwei getrennte Volkswirtschaften. Aber wer würde dann gewinnen? "Unter Biden sind wir abhängiger von chinesischen Lieferungen geworden als unter jedem anderen Präsidenten", wettern US-Republikaner. Der Schnitt müsse ihrer Überzeugung nach noch schärfer ausfallen, sonst sei Amerika am Ende.

Niemand in den USA hat ein "drittes Plenum" zu der Frage angekündigt, wohin die US-Wirtschaft gelenkt werden soll. Aber die Strategen streiten sich dort deshalb nicht weniger untereinander. Mehrere US-Regierungen haben sich vergeblich dafür gesprochen, sich Asien zuzuwenden; aber in Wirklichkeit hat Amerika Zeit verloren und steckt in europäischen Angelegenheiten fest, sagen einige. Wie lange können wir China noch "eindämmen", fragen andere. Dass es nötig ist, das Wachstum der chinesischen Wirtschaft mit allen denkbaren Mitteln einzudämmen, darin sind sie sich einig. Aber darüber hinaus wollen einige Peking bis zum vollständigen Sieg bekämpfen, was die Mobilisierung von Ressourcen und die Umstrukturierung der Wirtschaft des gesamten Westens auf militärische Bahnen erfordert.

Es ist ein harter Kampf, die Einsätze sind hoch, und dem dritten Plenum wird genau unter dem Gesichtspunkt dieser Auseinandersetzung entgegengefiebert: Wird Peking seine Wirtschaft mobilisieren und in militärische Bahnen lenken, um die Bedrohung abzuwehren?

Wenn die Erwartungen an das Plenum so hoch sind, ist das Ergebnis von vornherein dazu verdammt zu enttäuschen. Unter anderem, weil es bei den Beschlüssen weniger um den Kampf um Auslandsmärkte als um die Verbesserung der Lage im Inland gehen dürfte. Das ist verständlich, denn in früheren Epochen wuchs China dank des Außenhandels, aber das ist seit einigen Jahren nicht mehr der Fall: Der wichtigste Markt ist inzwischen der Binnenmarkt mit fast eineinhalb Milliarden Verbrauchern.

Experten verweisen insbesondere auf eine Rede des chinesischen Regierungschefs Li Qiang, in der die künftigen Änderungen des Steuersystems recht detailliert beschrieben werden. Sie betreffen die Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen dem Zentrum und den Provinzen, damit die Regionen mit ihren manchmal allzu riskanten Geschäftsaktivitäten die zentralen Investitionen in die Hochtechnologie nicht behindern.

Sind das gewichtige Schritte? Durchaus. Vor allem, wenn wir uns an die Rolle der Steuersenkungen in Donald Trumps Wirtschaftspolitik erinnern und wenn wir berücksichtigen, was heute in den USA im Bereich der Steuer- und Geldpolitik geschieht. So oder so, ob mit oder ohne Plenum, China ist sich des Kampfes um die Führungsrolle, der in der kommenden Ära ausgetragen werden wird, sehr wohl bewusst und nimmt ihn ernst.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 15. Juli auf ria.ru erschienen. 

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