Von Dmitri Kossyrew
"Wir haben schon vor langer Zeit den Prototyp eines Roboter-Elektroautos gebaut, für den wir keinen Fahrer brauchen", verkündete ein Mitglied eines begeisterten chinesischen Teams von Ingenieuren aus einem jungen Unternehmen in der Provinz Guangdong. Die ersten Buchstaben des Unternehmensnamens lauten AI für Künstliche Intelligenz. Hier gibt es ein komplexes und sehr chinesisches Phänomen: eine der Ideenschmieden für die gesamte Autoindustrie des Landes, für eine Autoindustrie, die verrückt nach der Idee ist, ein ganz neues Auto zu entwickeln. Und es funktioniert.
Das Gespräch mit dem chinesischen Ingenieur fand in den Tagen statt, als der russische Präsident Wladimir Putin China besuchte und die Pekinger Behörden gleichzeitig ein Team russischer Experten und Journalisten zu einer Reise in die südlichen Provinzen des Landes eingeladen hatten. Diese Reise erwies sich als sehr nützlich, denn sie half nicht nur zu verstehen, was zwischen Russland und China geschieht, sondern auch, was in der Welt insgesamt vor sich geht und warum die Vereinigten Staaten von Amerika und der gesamte Westen unsere beiden Länder (und nicht nur die) mit solch einer Wut bekämpfen.
Kurz gesagt geht es um die globale technologische Revolution, die Peking eindeutig gewinnen wird. Dafür wird China mit allen möglichen Sanktionen und Embargos belegt, auch für Elektroautos. Gerade am Tag des Laborbesuchs kam die Nachricht, dass die USA eine De-facto-Blockade für diese Autos auf ihrem Markt verhängt haben und auch ihre Verbündeten zwingen, das Gleiche zu tun. Übrigens sagte der russische Präsident während seines Besuchs in Harbin:
"Die US-Amerikaner haben erst kürzlich Sanktionen gegen Elektroautos in China verhängt. Und warum, weshalb? Weil die chinesischen Autos besser geworden sind, deshalb. Es gibt keinen anderen Grund. Dies ist ein Beispiel für unfairen Wettbewerb."
Was ist eine technologische Revolution? Auch wenn dann kein Mensch mehr am Lenkrad gebraucht wird, sondern ein Roboter mit künstlicher Intelligenz den Straßenverkehr allein bewältigen kann (obwohl die Gesetze das noch gar nicht zulassen). Außerdem sieht die Vorstellung von einem Auto heute anders aus als früher, denn man kann es mittlerweile wie eine Pizza bestellen, nämlich genau bestimmen, welche "Zutaten" man sich wünscht. Und es wird ohne besondere Kosten und Aufschläge in demselben Unternehmen hergestellt, in dem auch andere Autos vom Band laufen.
In diesem Unternehmen wurden übrigens auch drei Arten von Batterien entwickelt, die ebenfalls auf die Wünsche der Kunden abgestimmt sind. Einige brauchen Batterien, die sich schnell aufladen lassen (in 15 Minuten), andere brauchen stoßfeste Batterien oder solche, die zwar länger zum Aufladen brauchen, aber dafür länger halten. Außerdem wurden viele weitere Dinge erfunden, und zwar zum ersten Mal auf der Welt. Im Grunde genommen ist das Ganze eine neue Art von Autoindustrie.
Interessant ist die Arbeitsweise, die westliche Wettbewerber als staatliche Subventionierung der Produktion bezeichnen. Dabei handelt es sich aber gar nicht um eine Subventionierung, sondern um eine raffiniertere Politik. Das besagte Labor wurde im Jahr 2017 gegründet, es ist im Besitz des Staates. Es existiert nach dem Prinzip "Grundlagenwissenschaft ist, wenn Wissenschaftler ihre eigene Neugier auf öffentliche Kosten befriedigen". Große Erfindungen werden häufig auf diese Weise gemacht. Und in diesem Fall werden sie von hier dann gegen Bezahlung an eine Vielzahl anderer privater Unternehmen verkauft, von denen es in der chinesischen Autoindustrie bisher etwa siebzig gibt. Welch ein herrliches Chaos, dessen Auswüchse jedoch bald die wahren internationalen Giganten zum Vorschein bringen werden.
Wie hat alles angefangen? Man kann bis in die 1980er Jahre zurückgehen, als das Land begann, das im maoistischen Sozialismus zerstörte Bildungssystem Stück für Stück wieder aufzubauen. Oder in die 1990er Jahre, als das Land begann, von einem zunächst niedrigen technologischen Niveau aus eine Industrie aufzubauen, die von Anfang an auf den Weltmärkten Fuß fassten konnte. So wurden die eigenen Arbeits- und Ingenieurschulen geformt und gefestigt.
Heute nimmt China Abschied von einer Ära, in der die Menschen keine Zeit hatten, das rasante Wachstum ihres Landes und seinen Übergang von der Armut zu einem Lebensstandard zu verfolgen, der mancherorts bereits deutlich höher ist als der in Europa. Im Museum der Stadt Ningde (in der Provinz Fujian, wo sich die frühesten Etappen von Xi Jinpings wirtschaftlicher und politischer Karriere abspielten) wurden der russischen Delegation Fotos jener Familie gezeigt, die vor 40 Jahren obdachlos war und auf einem Boot am Ufer lebte. Und heute? Heute ist für diese wohlhabende Familie eine dritte Ära und ein anderer Lebensstil angebrochen. Die Frage ist, ob dieser Stil die ganze Welt oder nur einen Teil davon begeistern kann, ob er die Welt so verändern wird, wie die alte, westliche technologische Revolution die Welt in den 1920er und 1930er Jahren verändert hat (als Waschmaschinen, Kühlschränke und die zivile Luftfahrt aufkamen).#
Dies ist größtenteils ein zufälliger Prozess. So wurde China zunächst weltweit führend im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge, obwohl einstmals die Japaner damit angefangen hatten. Dann geschah das Gleiche mit Mobiltelefonen und anderen Kommunikationsmitteln, mit dem 5G-Standard, obwohl sie auch damit nicht die ersten waren. Heute geht die Informationsrevolution weiter, und in China betrachtet man Bankkarten als etwas Vergangenes, denn man bezahlt mittlerweile mit einem QR-Code auf dem Smartphone oder einem Handabdruck oder einem Scan des eigenen Gesichts. Mit anderen Worten: Geld ist zu etwas völlig anderem geworden.
Noch einmal zu den Elektroautos: An dieser Stelle sollte daran erinnert werden, dass es die vielleicht gar nicht geben würde, hätte nicht die westliche Klimalobby die Welt bisher mit ihrem Gerede von der Notwendigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen und vom Benzin wegzukommen, in Angst und Schrecken versetzt. Der Westen hat den Prozess in Gang gesetzt. Doch sobald die Idee des Elektroautos vor allem im Westen in Mode kam, begann China, daraus Kapital zu schlagen. Alle 59 Sekunden rollt ein solches Auto heute vom Fließband. Infolgedessen ändert sich die Vorstellung davon, was eine Straße ist und was ein Mensch auf ihr tun sollte. Der Fahrer wird zum Passagier.
Ob es gut oder schlecht ist, dass sich das menschliche Leben so schnell verändert? Wird jeder auf der Welt den Lebensstil des neuen Jahrhunderts genießen? Und wird irgendjemand die Ideen, die aus dem heutigen China mit seiner Besessenheit für technischen Fortschritt kommen, aufgreifen und noch grundlegend ändern? Das betrifft die Frage, wie die Zukunft aussehen wird. Doch schon heute ist klar, dass sie wohl nicht vom Westen bestimmt werden wird. Daher nehmen die Verzweiflung und die Versuche des Westens zu, China und dessen Verbündete, die sich für den Übergang in die Welt von morgen auf die richtige Seite gestellt haben, mit allen Mitteln – einschließlich militärischer Mittel – einzudämmen und zu untergraben.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 22. Mai 2024.
Dmitri Kossyrew ist ein russischer Journalist, Orientalist und politischer Analyst bei RIA Nowosti.
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