Von Sergei Sawtschuk
Die modernen Medien sind so organisiert, dass sie immer die "heißesten" Nachrichten aufgreifen. Diese Tradition drängt manchmal wirklich wichtige Ereignisse an den Rand, die von den "gehypten" Themen überschattet werden. Dies gilt ganz besonders für Nachrichten vom Weltmarkt für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die Kriege, Skandale und Intrigen, die sich dort abspielen, würden es ohne weiteres mit jedem Krimi-Bestseller aufnehmen können – nur mit dem Unterschied, dass die Ernährung im Prinzip die Grundlage der menschlichen Existenz war, ist und bleibt.
Die westliche Presse schreibt unter Berufung auf einschlägige Quellen, dass in diesem Jahr in Russland mit einem Rückgang der Weizenernte um dreieinhalb Millionen Tonnen auf allerdings insgesamt 89,6 Millionen zu rechnen ist. Sie berichten auch mit offensichtlicher Besorgnis, dass die Weltvorräte an Weizen und anderen Getreidesorten bis Ende April auf einen Negativrekord für die letzten zehn Jahre gefallen sind, die Kosten für einen Scheffel sehr hoch sind und in absehbarer Zeit nicht sinken würden.
Wie kommt es, dass Russland es geschafft hat, den halben Planeten von sich abhängig zu machen, und warum raubt so vielen Akteuren weltweit der Regen in unserer Schwarzerde-Region den Schlaf? Schauen wir uns zunächst einmal die Zahlen und Proportionen an.
Im vergangenen Jahr hat die Menschheit weltweit 785 Millionen Tonnen Weizen angebaut, aber sogar 791 Millionen Tonnen in der einen oder anderen Form verbraucht. Lassen Sie sich durch dieses Missverhältnis nicht verwirren: Das Defizit im Anbau wird durch die Reserven gedeckt, die jährlich in einer Reihe von Ländern angesammelt werden, deren riesige Silos die Rolle der Brotkörbe des Planeten spielen, und das ist keine Übertreibung.
Unser Land nimmt in Bezug auf die Weizenproduktion den dritten Platz in der Weltrangliste ein. Die ersten zwei Plätze belegen China und Indien, was angesichts der kolossalen Bevölkerungszahl beider Länder nicht verwunderlich ist. China produzierte im vergangenen Jahr 134 Millionen Tonnen und Indien 105 Millionen Tonnen, wovon der größte Teil logischerweise zur Deckung des Inlandsbedarfs verwendet wurde.
Russland steht in der Rangliste der Weizenproduzenten fest an dritter Stelle. Unsere Landwirte verzeichnen regelmäßig ein Wachstum der Indikatoren. Aber in diesem Jahr wurde dieser Trend aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen unterbrochen. Wie bereits erwähnt, werden die russischen Landwirte laut Prognose im Jahr 2024 rund neunzig Millionen Tonnen Weizen ernten, ein Jahr zuvor konnten sie drei Millionen mehr (wortwörtlich) herausdreschen.
Die gesamte Getreideernte belief sich 2023 auf 142,7 Millionen gegenüber 157 Millionen noch zuvor im Jahr 2022, darunter:
- Roggen: 1,7 Millionen Tonnen (2,18 ein Jahr zuvor);
- Gerste: 21,1 Millionen Tonnen (23,4);
- Mais: 14,4 Millionen Tonnen (15,8);
- Reis: 1,06 Millionen Tonnen (920,1 Tausend);
- Buchweizen: 1,5 Millionen Tonnen (1,2);
- Hafer: 3,3 Millionen Tonnen (4,5);
- Hirse: 449 Tausend Tonnen (308);
- Hülsenfrüchte: 5,9 Mio. t (4,6).
Wie man sieht, ist bei der Hälfte der Getreidearten ein Rückgang zu verzeichnen, der auf ungünstige Witterungsbedingungen zurückzuführen ist. Dies waren insbesondere die Fröste, die in den Regionen Tambow, Lipezk und Woronesch massive Ernteausfälle verursachten und sogar zum Ausrufen eines Notstandsregimes führten.
Bei den Getreide- und speziell Weizenexporten ist Russland unangefochtener Weltmarktführer. Im vergangenen Jahr haben unsere Händler mehr als 51 Millionen Tonnen Weizen ins Ausland verkauft, womit unser Land 17 Prozent des Welthandels abdecken konnte. Wir möchten noch einmal betonen: Wir sprechen über das Exportvolumen, nicht über den weltweiten Verbrauch, denn es ist grundlegend falsch zu sagen, dass jeder fünfte Laib Brot auf der Welt aus Russland stammt. Der zweite Platz in Bezug auf den Absatz im Jahr 2023 wurde plötzlich von der Europäischen Union eingenommen, die 36,5 Millionen Tonnen Weizen für den Export verkaufte.
Wir müssen uns hier darauf beschränken, nur den Weizen zu betrachten, denn der Getreidemarkt ist so umfangreich und komplex, dass selbst ein Abriss viel mehr Platz erfordern würde, als im Umfang einer Standardpublikation zumutbar ist.
Weizen ist nicht nur die "Königin der Felder" (auch wenn der Genosse Chruschtschow das anders sah), sondern auch die "Prinzessin des Marktes". In finanzieller Hinsicht steht Weizen im Welthandel an 49. Stelle unter mehr als tausend anderen Rohstoffen. Im Jahr 2022 belief sich der kumulierte Wert der Verträge auf fast 750 Milliarden US-Dollar, vergleichbar beispielsweise mit dem Handel mit verflüssigtem Erdgas.
Im Gegensatz zu den Kohlenwasserstoffen, bei denen sich Russland langsam von Europa nach Osten abwendet, geht russisches Getreide ohnehin in Länder, mit denen wir recht friedliche Beziehungen unterhalten. Die größten Abnehmer sind Ägypten mit 11,9 Millionen Tonnen, die Türkei (10,2), Algerien (3,3), Saudi-Arabien (3,2) und Iran (3,1). Das Kerngeschäft mit Algerien (3,7-fach), Pakistan (2,5-fach), China (78 Prozent) und dem Sudan (64 Prozent) ist im vergangenen Jahr monetär stark gestiegen.
Unsere Händler verdienten mehr als sechs Milliarden US-Dollar am Weizenhandel, während sich das gesamte Exportvolumen russischer Agrarprodukte Ende letzten Jahres auf 43,5 Milliarden US-Dollar belief. Das ist zwar immer noch viermal weniger als das der Vereinigten Staaten, aber unsere Zahlen steigen allmählich – vor allem, wenn die Maifröste nicht dazwischenfunken.
Bloomberg schreibt, dass aufgrund der schlechten Ernte in Russland, zu der sich zu allem Überfluss auch noch Dürren in den USA und Australien sowie anhaltende kalte Regenfälle in Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich gesellen, die weltweiten Weizenvorräte auf ein Zehnjahrestief gefallen sind. Jüngsten Angaben zufolge lagern weltweit 319 Millionen Tonnen Weizen, davon etwa 120 Millionen Tonnen in China und Indien, 27 Millionen Tonnen in den USA, 13 Millionen Tonnen in Europa und acht Millionen Tonnen Weizen in Russland.
Wir haben den Bericht bewusst auf diesen Punkt und diese Zahl gelenkt. Nicht um die Unzulänglichkeiten unserer wunderbaren Landwirte anzuprangern, sondern um deutlich zu machen, wie komplex die globalen Zusammenhänge sind und wie empfindlich der Weltmarkt selbst auf die auf den ersten Blick unbedeutendsten Ereignisse reagiert. Im 21. Jahrhundert ist es unmöglich, einen wichtigen Akteur vom Markt zu nehmen, sei es beim Öl oder Getreide, ohne dass der Welthandel davon erschüttert wird, keine akuten Engpässe entstehen und die Preise nicht steigen.
Die Welt von heute ist klein, die Länder sind eng miteinander verflochten, und für die nachhaltige Existenz aller sind Sanktionen und die Ausschaltung von Konkurrenten durch Gangster hinderlich. Was nötig ist, sind ausbalancierte Beziehungen, in denen die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt und respektiert werden. Es ist dieses Paradigma, für das Russland sich in den letzten zwanzig Jahren auf der Weltbühne eingesetzt hat.
Übersetzt aus dem Russischen und auf ria.ru erschienen am 15. Mai 2024.
Mehr zum Thema - Medienbericht: BRICS-Getreidebörse versetzt westlichen Exporteuren einen heftigen Schlag