Von Alex Männer
Interessanterweise ist das russische Flüssiggas von den Sanktionen ausgenommen, weshalb russische Unternehmen beim LNG-Export nach Europa trotz der Spannungen mit Brüssel bemerkenswerte Erfolge verzeichnen. Ihre Lieferungen haben inzwischen sogar so weit zugelegt, dass die EU in diesem Jahr zum größten Flüssiggasabnehmer Russlands avancierte.
The Telegraph berichtete vergangene Woche, dass die EU in den ersten neun Monaten dieses Jahres mehr als sechs Milliarden Euro für verflüssigtes Erdgas aus Russland ausgegeben hat, womit auf die Staatengemeinschaft mehr als die Hälfte der russischen Exporte entfällt:
"Trotz des Versprechens, den russischen Brennstoff aufzugeben, sind Spanien und Frankreich die zweit- und drittgrößten Abnehmer von Flüssigerdgas nach China."
Ungeachtet dieses Exportwachstums ist das Potenzial der russischen Flüssiggasindustrie noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Mit der vollständigen Umsetzung des Mega-Energie-Projekts "Arctic LNG 2" auf der Jamal-Halbinsel im Norden des Landes plant Russland, jährlich etwa 20 Millionen Tonnen LNG sowie bis zu 1,6 Millionen Tonnen Gaskondensat zusätzlich zu produzieren.
Inzwischen soll der Bau einer der drei vorgesehenen Gasverflüssigungsanlagen abgeschlossen sein, und die Anlage werde noch in diesem Jahr in Betrieb gehen, versichert man in Moskau. Demnach läuft die Umsetzung des vom russischen Energiekonzern Novatek geleiteten Vorhabens insgesamt nach Plan, auch wenn die westliche Presse gern das Gegenteil behauptet.
Dass die planmäßige Umsetzung vorangeht, bestätigt auch die russische Föderale Agentur für technische Regulierung und Metrologie "Rostechnadsor" in ihrem aktuellen Bericht vom 17. November. Die Behörde habe im Rahmen einer Überprüfung festgestellt, dass die Arbeiten der Großbautätigkeit abgeschlossen seien und alle Objekte den Anforderungen des Projekts entsprächen.
Widerstände gegen "Arctic LNG 2"
Allerdings bedeutet die technische Inbetriebnahme von Arctic LNG 2 nicht, dass dem Start dieses Energieprojekts nichts mehr im Weg steht und dass seine Realisierung auf dem Weltmarkt problemlos vonstatten gehen wird. Eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall, denn die russische Flüssiggasbranche ist mitlerweile zunehmend dem Druck seitens des kollektiven Westens ausgesetzt, der die Projekte Moskaus torpedieren und Russlands Erlöse aus dem LNG-Handel dadurch so weit wie möglich einschränken will.
Insofern ist Arctic LNG 2 bereits mit Schwierigkeiten konfrontiert. Der Widerstand kommt wie erwartet aus den Vereinigten Staaten, wo man Beschränkungen gegen das Projekt durchgesetzt hat, und zudem aus Finnland, das den russisch-europäischen Handel mit Flüssiggas begrenzen oder sogar gänzlich unterbinden will.
Das US-Finanzministerium hatte den Betreiber Novatek Anfang November auf seine Sanktionsliste gesetzt, wie Medien berichteten. Damit wolle man "systematisch die zukünftigen Energie-Einnahmen Russlands reduzieren", erklärte in dieser Angelegenheit der für Energiefragen zuständige US-Vize-Außenminister Geoffrey Pyatt. Bei einer Sitzung im Senat sagte er:
"[…] Unser Ziel ist es, dieses Projekt zu töten. Und das tun wir durch unsere Sanktionen in Zusammenarbeit mit unseren Partnern in den G7 und darüber hinaus."
Diese Strafmaßnahmen sollen neben den Russen aber auch die Projektteilnehmer aus Frankreich und Japan treffen. Die japanischen Co-Investoren von Novatek etwa haben erklärt, dass eine solche Entscheidung Auswirkungen auf ihr Land haben werde, und baten die G7 um Konsultationen, um eine Destabilisierung der japanischen Energieversorgung zu verhindern.
Auf der anderen Seite hat Finnlands Umweltministerium vorgeschlagen, den Kauf von russischem LNG zu verbieten. Die finnische Regierung ist der Meinung, dass eine solche Entscheidung nach der Vereinbarung eines Maßnahmenpakets zur Entwicklung eines EU-Gasmarktes getroffen werden könne. Die Verhandlungen in dieser Frage sollen offenbar bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.
Durch ein entsprechendes Verbot wäre ein direkter Konkurrent Washingtons um den europäischen LNG-Absatzmarkt ausgeschaltet, sodass den EU-Ländern im Weiteren kaum etwas anderes übrig bliebe, als das teure Flüssiggas aus Übersee anzunehmen. Sowohl die Europäer als auch die Japaner haben jedoch bereits deutlich gemacht, bei wem sie das LNG am liebsten erwerben würden, um weiterhin ihre Energiesicherheit und wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zu gewährleisten.
Daher werden die europäischen LNG-Importeure mit hoher Wahrscheinlich alles dafür tun, um die Sanktionen so lange wie möglich zu umgehen und weiterhin Flüssiggas aus Russland zu beziehen. Und auch die Japaner werden die Sanktionen missachten und stattdessen an ihrer Partnerschaft im Rahmen von Arctic LNG 2 – ungeachtet der Kritik der Amerikaner – festhalten.
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