Die Schwierigkeiten, in denen sich die Siemens-Tochter Siemens Energy befindet, scheinen sich zu verschärfen – nach einem Bericht von Börse Online bereiten vier institutionelle Investoren (darunter Versicherungsgesellschaften und Fonds) Schadensersatzklagen gegen das Unternehmen vor.
Siemens Energy verdankt die Probleme seiner Windkraft-Tochter Gamesa, einer Firma, die aus der Fusion des spanischen Herstellers Gamesa mit der deutschen Windkraft-Sparte von Siemens entstand.
Unter den weltweit zehn größten Herstellern von Windkraftanlagen liegt Gamesa auf Platz fünf, ist allerdings führend bei Offshore-Windanlagen. Der führende Hersteller GE Wind Energy, eine deutsche Tochter des alten Siemens-Konkurrenten General Electrics, und die dänische Firma Vestas auf Platz drei sind neben Gamesa die einzigen Hersteller unter den ersten zehn, die nicht in China beheimatet sind.
Große Konzerne wie Siemens sind vergleichsweise spät in das Geschäft mit Windkraftanlagen eingestiegen. Mit dazu beigetragen hat sicher, dass die Fertigungszahlen erst mit der Errichtung großer Offshore-Windparks überhaupt für die industrielle Fertigung interessant wurden. Das erste große Projekt, für das Siemens Windkraftanlagen lieferte, war ein Windpark vor der walisischen Küste, der unter anderem von den Münchner Stadtwerken mitfinanziert wurde.
Die Verluste, die Siemens Energy in den vergangenen Jahren einfuhr, gingen nach Angaben der Financial Times zu zwei Dritteln auf das Konto der Tochter Gamesa. Begründet wurde das mit Gewährleistungsproblemen bei den Anlagen, die einen aufwendigen Austausch von Teilen erforderlich machten. Allerdings hat gerade das Offshore-Geschäft, in dem Gamesa stark ist, ein ähnliches Problem, das in den kommenden Jahren noch an Bedeutung zunehmen dürfte. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Offshore-Anlagen weit stärker mit Schäden durch die salzhaltige Feuchtigkeit zu kämpfen haben, als ursprünglich angenommen wurde, sowohl bei den Turbinen als auch beim aus Stahlbeton gegossenen "Spargel".
Erst im vergangenen Jahr hatte Siemens Energy Minderheitsaktionäre aus Gamesa herausgekauft. Damals lag der Börsenwert der Firma bei 15 Milliarden Euro. Ende Oktober betrug nach Informationen der Financial Times der Wert immer noch 15 Milliarden Euro, allerdings mit einem negativen Vorzeichen. Der operative Verlust, der für dieses Jahr erwartet wird, soll bei 1,4 Milliarden Euro liegen.
Der Präsident des ifo Instituts, Clemens Fuest, sprach sich gegenüber Börse Online deutlich gegen staatliche Stützungsmaßnahmen aus. Die Probleme von Siemens Energy resultierten nicht aus einer gesamtwirtschaftlichen Krisensituation, sondern aus Management-Fehlern. "Einzelne Anbieter, die Fehler gemacht haben, mit Bürgschaften zu stützen, ist eine sehr teure Art, die Energiewende zu fördern", sagte er.
Allerdings übergeht er dabei entscheidende Punkte. Der erste ist, dass das gesamte Geschäft mit Windkraftanlagen, insbesondere bei den kapitalintensiven Offshore-Anlagen, überhaupt nur durch politische Förderung funktioniert, sprich, von vorneherein auf staatlichen Subventionen aufbaut. Die offenkundig nicht ganz so üppig fließen, wie die Branche das einmal erwartet hatte und wie die vollmundigen Beteuerungen vieler Politiker bezüglich einer "Energiewende" nahelegten.
Die gesamte Branche befindet sich in der Krise. Der dänische Offshore-Hersteller Ørsted hat zwei große Offshore-Projekte vor der US-Küste gestrichen, und auch Vattenfall hat einen Park in Norfolk gestoppt, weil die Kosten um 40 Prozent gestiegen seien. Hier macht sich der Anteil der Energiekosten für den Beton deutlich bemerkbar, die eine Kalkulation, die von vornherein nur unter Zuschuss von Steuergeldern funktioniert, völlig sprengen. Ørsted hatte aus den zwei jetzt gekippten Projekten in New Jersey im Verlauf des letzten Jahres Verluste von 2,7 Milliarden US-Dollar und Abschreibungen in Höhe von 3,8 Milliarden.
Im Ringen um staatliche Unterstützung hat Siemens Energy gar nicht so schlechte Karten – schließlich ist es inzwischen offizielle Wirtschaftsstrategie der Bundesregierung, unter dem Stichwort "Resilienz" chinesische Hersteller, wenn möglich, aus dem Markt auszuschließen. Unter diesen Voraussetzungen müsste das Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gerne weitere Milliarden an Steuergeldern vergeben, um ein heimisches Unternehmen auf dem Markt zu halten; auch weil ein Verschwinden dieses deutschen Anbieters seine verkündeten Ziele einer "Energiewende" noch utopischer aussehen ließe, als dies ohnehin bereits der Fall ist.
Andernfalls dürften sich die Überlegungen zu Produktionsschließungen vom Oktober konkretisieren. Denn wie schrieb die Financial Times?
"Die Forderung nach Regierungsunterstützung legt nahe, dass die Kosten weiterzumachen größer sind als die einer Schließung. Das sollte die zentrale Vermutung von Investoren bleiben, solange keine großzügigen deutschen Minister eingreifen."
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