Von Pierre Levy
"Wir werden Russlands Wirtschaft in die Knie zwingen", hatte der französische Wirtschaftsminister einige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine prahlerisch verkündet. Bruno Le Maire freute sich im Voraus über die furchterregende Wirksamkeit der Sanktionen, die die Europäische Union gegen Moskau zu verhängen im Begriff war.
Kann man achtzehn Monate später eine erste Bilanz ziehen? Sicherlich blieben die elf aufeinanderfolgenden, von Brüssel gesteuerten Pakete "restriktiver Maßnahmen" nicht ohne Auswirkungen auf die russischen Preise, das Wachstum und die Währung. Zumindest in der ersten Zeit. Doch zahlreiche Studien zeigen, dass wir weit, sehr weit von den Hoffnungen von Herrn Le Maire und seinen Kollegen entfernt sind. Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Anzeichen tauchen auf, dass die besagten Sanktionen im Hinblick auf die westlichen Ziele kontraproduktiv sind.
Das Beispiel der russischen Ölexporte ist in dieser Hinsicht bezeichnend. Parallel zu den von der EU verhängten Maßnahmen ordneten die G7 (also auch die USA) im Dezember 2022 eine Preisobergrenze an, zu der Russland sein schwarzes Gold verkaufen durfte, in diesem Fall 60 US-Dollar pro Barrel. Große westliche Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen, die zu russischen Exporten über diesem Preis beitragen, können vor Gericht gezerrt werden.
Nebenbei sei angemerkt, dass die G7 es vermieden hat, ein reines Verbot zu erlassen. Aus gutem Grund: Das Verschwinden des von Russland, dem zweitgrößten Ölproduzenten der Welt, verkauften Öls hätte die Apokalypse in der Weltwirtschaft ausgelöst.
Im Gegensatz zum französischen Minister war Ölexperten klar, dass Moskau das Verbot umgehen würde. Es scheint jedoch, dass sie von der Geschwindigkeit, mit der Russland dies erreichte, überrascht waren.
Neben einer Vielzahl diskreter Lieferungen erhöhte Russland auch seine offiziellen Rohölverkäufe an China und vor allem an Indien erheblich. Diese Länder wenden den Boykott, den sich die EU-Länder selbst auferlegt haben, nicht an, halten sich aber theoretisch an die Preisobergrenze. Insider wissen jedoch, dass die russischen Unternehmen parallel dazu in Absprache mit ihren Kunden überhöhte Preise für Nebenleistungen verlangen, sodass Russland letztendlich die Einnahmen entsprechend den aktuellen Preisen kassiert. Die liegen Anfang Oktober bei 90 US-Dollar pro Barrel für Rohöl des Typs "Ural".
Stammten vor dem Krieg von 100 Barrel, die Indien importierte, nur zwei aus Russland, liegt der Anteil nun bei 40 Barrel. Der Gipfel der Ironie: New Delhi lässt es sich nicht nehmen, das Rohöl zu raffinieren und den Treibstoff dann offen in europäische Länder zu reexportieren. Diese "Wäsche" des schwarzen Goldes geht natürlich auf Kosten des Preises, der an der Zapfsäule gezahlt wird.
Viele Kenner der Ölwelt sind sogar der Meinung, dass Russland durch diesen Handel noch nie so viel Geld verdient hat. Die Financial Times berichtete ihrerseits Mitte September, dass sich aufgrund dieser Situation die Zahl der Tanker, die über die Polarroute nach Asien fahren (statt über die längere Route durch den Suezkanal), vervielfacht habe und dass dies die Gefahr von Ölkatastrophen in sensiblen Regionen erhöhe.
Es gibt jedoch einen noch paradoxeren Aspekt, an dem sich Washington mittelfristig die Zähne ausbeißen könnte. Es war eine Ende September veröffentlichte Studie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), die auf die negativen Folgen dieser Entwicklungen für den Dollar aufmerksam machte.
Schon jetzt wickelt Russland einen immer größeren Teil seines Handels in Yuan ab, was zu Lasten des US-Dollars geht. Nach Angaben der russischen Zentralbank wurden im Juli diesen Jahres 25 Prozent der russischen Exporte und sogar 34 Prozent der Importe in der chinesischen Währung abgewickelt.
Diese Entwicklung könnte sich noch beschleunigen. Nach Ansicht des Chefökonomen der EBWE
"kann dies die Attraktivität des Dollars als Leitwährung im Welthandel mindern".
Nun träumt der Westen natürlich davon, ein Gegenmittel zu finden, indem er sich auf eine Eskalation einlässt. Man spricht von "sekundären Sanktionen", die sich gegen Unternehmen, insbesondere europäische, richten würden, die Endabnehmer von russischem Öl wären.
Aber wer kann schon glauben, dass diese Flucht nach vorn das Ende des Krieges beschleunigen würde? Vielmehr würde sie die europäischen Volkswirtschaften, die bereits unter den Folgen früherer Sanktionen leiden, noch weiter belasten.
Das würde vielleicht Uncle Sam nicht unbedingt traurig machen...
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